Freitag, 18. Mai 2018

Stille Wasser ...

Moin ihr Lieben,
auf in den Freitag. :-) Heute mit einer kleinen Geschichte, die ich so tatsächlich schon mehrfach erlebt habe. Okay, ich schreibe sie mit einem kleinen Augenzwinkern, aber das ändert nichts am Wahrheitsgehalt. ;-)
Habt ein tolles langes Wochenende und schöne Pfingsten! <3


Neulich hatte ich mal wieder ein Gespräch, bei dem ich mich ernsthaft zusammenreißen musste, nicht laut zu lachen. Okay, solche Gespräche habe ich häufiger, aber dieses war eins, das ich so in der Art schon unzählige Male - meist mit Bekannten des männlichen Geschlechts - geführt habe.

In diesem Fall hatte ein Bekannter gehört, dass ich Liebesromane schreibe. Gut, das tue ich seit mittlerweile fünf Jahren, aber okay ... Er hat es wohl jetzt erst geschnallt.
Jedenfalls kommt er bei der nächsten Gelegenheit auf mich zu, grinst ein wenig und fragt wie beiläufig: "Und du schreibst also Liebesromane?"
Aha, denke ich, Nachtigall, ick hör dir trapsen ... Es ist mal wieder so weit. ;-)

Nach außen völlig cool antworte ich nur: "Ja, warum?"

"Och ... ich kann mir das so schlecht vorstellen." Kurze Pause. Ich warte gespannt ab, wann die Frage der Fragen kommt. "Und wie ist dann dann so? Also schreibst du so ... Hm ..." Zögern, eine leichte Röte überzieht die Ohren meines Gegenübers, ich sehe ihm regelrecht an, wie er in seinem Hirn nach den richtigen Worten sucht. Wie er mit sich ringt - frage ich oder frage ich nicht? Doch natürlich siegt die Neugier. Ein letztes Räuspern, dann schießt es regelrecht aus ihm raus. "Und wie ist das mit Sex?" Tiefes Durchatmen, der Gesichtsausdruck entspannt sich sichtlich, er hat es geschafft - auch wenn das letzte Wort kaum mehr als ein Hauchen war. War das jetzt wirklich so schwer?

Innerlich winde ich mich in einem Lachkrampf auf dem Boden! Es ist doch immer dasselbe mit den Herren der Schöpfung. Keine Ahnung warum ... ;-)

"Du meinst in meinen Büchern?", frage ich scheinheilig und prompt färben sich die Ohren  meines Bekannten in einem Farbton, der an glühende Grillkohle erinnert. Ich schaffe es noch immer, mir ein Grinsen zu verkneifen, und bleibe betont ernst. (Ein Hoch auf meine Selbstbeherrschung! Aber ich ahne ja schon, der beste Teil kommt erst noch ... ;-) Immerhin habe ich dieses Gespräch in leichten Variationen schon dutzende Mal geführt. ;-) )

"Ähm, ja, klar. In deinen Büchern." Peinlich berührtes Kichern, immerhin hätte ich ja denken können, er meint mein Privatleben! ;-)

"Also ich blende nicht an der Schlafzimmertür aus, falls das deine eigentliche Frage ist." Noch immer bin ich voll cool! Das hier ist mein Terrain, hier bin ich zu Hause. ;-)

Am Hals meines Gegenübers bilden sich hektische Flecken. Ich sehe regelrecht, wie sein Kopfkino anspringt. "Du schreibst also so ... alles?", fragt er ein wenig ungläubig nach und ich nicke.
"Ja, jedes Detail bis zum Ende. Das ist doch das Beste!"

Mann gibt sich total cool, versucht Stimme, hektische Flecken und rote Ohren wieder in den Griff zu bekommen. Es dauert gefühlte Minuten, dann kommt er endlich - mein Lieblingssatz! Darauf habe ich die ganze Zeit gewartet.

"Das hätte ich ja nicht von dir gedacht! Dass ausgerechnet DU über Sex schreibst."

Okay, nun ist es mit meiner Selbstbeherrschung vorbei und ich pruste los.

"Was soll das denn heißen?", frage ich, als ich wieder atmen kann. "Ernsthaft, ich habe zwei Kinder, und die hat nicht der Storch gebracht. Ich weiß also, worüber ich schreibe."

Kurz habe ich Mitleid mit dem armen Kerl, aber seine Ohren glühen schon wieder soooo schööön! ;-)

"Äh, ja, schon klar, aber du ... wirkst immer so ... still." Er verstummt und zuckt ein wenig hilflos mit den Schultern.

"Ja, ich weiß. Stille Wasser sind tief - und schmutzig!", antworte ich zweideutig grinsend. Mein Gegenüber schnappt nach Luft und weiß sichtlich nicht, wie er reagieren soll.
Nun habe ich doch ein bisschen Mitleid mit ihm.

 "Die Frauen, die ich kenne, mögen keinen Sex", murmelt er irgendwann.

Ooookay ... auch das habe ich bereits häufiger gehört, warum auch immer viele Männer das denken ...

Also, ihr Lieben, wenn ihr glaubt, dass Frauen keinen Sex mögen, dann habt ihr bisher entweder etwas falsch gemacht ... ;-)
Oder ihr kennt einfach nicht die richtigen Frauen.

Ja, auch Frauen mögen Sex!
Wir lesen Sex in Büchern, wir reden darüber mit unseren Freundinnen - und wenn ihr Glück habt, auch mit euch! ;-) Und wir haben auch gern Sex! Zumindest mit dem richtigen Mann. Der weiß, was er tut ... ;-) Und ansonsten ... selbst ist die Frau. ;-)

Und nun wünsche ich euch ein tolles Wochenende und gehe die nächste Sexszene schreiben. Meine Protagonisten wollen ja schließlich auch ihren Spaß haben! ;-)

Habt Freude!

Eure Juli

Freitag, 11. Mai 2018

Auf euch!

Es fühlt sich merkwürdig an, diesen Blog zu schreiben, denn eigentlich hatte ich etwas ganz anderes geplant.
Nun gut, während man selbst noch Pläne macht, fällt das Leben im Hintergrund vor Lachen vom Stuhl, oder? ;-)

Heute (nein, gestern, also am 10.5. - während ich diese Worte hier vor mich hin stammele. ;-) )
Also ... heute vor genau 5 Jahren, am 10.05.2013 ist mein allererstes Buch erschienen. Ich habe meinen Debütroman "Eine Chance für die Zukunft" veröffentlicht.

Oh Mann ... 5 Jahre!

Ich erinnere mich noch gut an den Tag. Ich war furchtbar aufgeregt - und irre naiv! (Na ja, das bin ich irgendwie immer noch in vielen Dingen ...)

Damals hatte ich noch kein Facebook-Account, ich hatte keine Ahnung von Werbung und Marketing. Ich hatte nur ein Buch und ein (ziemlich schlechtes) Cover. ;-) Ach ja, und eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie man eigentlich E-Books formatiert. Sonst hätte ich es ja nicht veröffentlichen können. ;-)
Ich hatte die Geschichte um Annie und Colin eigentlich für mich geschrieben und nur auf Drängen meiner besten Freundin (HDL, Ani! :-* ) veröffentlicht. Ich dachte, wer sollte sich schon dafür interessieren, was ich zu erzählen habe? Es gibt hunderte, nein tausende von Autoren, die viel, viel besser schreiben als ich. Ich dachte, wenn ich überhaupt 10 E-Books verkaufe, dann ist das schon ein riesengroßer Erfolg. Aber trotzdem wollte ich versuchen, ein paar Leute zu erreichen. Vielleicht gab es da draußen ja jemanden, der meine Geschichte mochte.

Was dann passierte, kommt mir bis heute wie ein Traum vor.
Innerhalb des ersten Tagen waren nicht nur 10 E-Books verkauft, es waren hunderte. Mein Ranking kletterte und das E-Book landete beinahe sofort in den allgemeinen Top100 bei Amazon. Damals begriff ich nicht, was das bedeutete. Wie schwierig es war, in ein solches Ranking zu kommen und solche Verkaufszahlen zu haben - und ganz ehrlich, es war mich auch egal. Ob nun 10 oder 500 - wichtig war mir nur, dass es Menschen gab, die mein Buch lasen. Allein die Vorstellung, dass nun Leute auf ihrer Couch oder in der Badewanne oder im Bett lagen und meine Annie und meinen Colin kennenlernten, gedanklich mit mir nach Boothbay Harbor reisten - WOW! Unfassbar!

Ja, und irgendwie ist es das bis heute. Mittlerweile habe ich 9 Bücher allein und 15 gemeinsam mit Ben veröffentlicht! 24 Bücher!
Ich lebe hauptberuflich vom Schreiben und es ist noch immer so, dass alle meine Bücher meine Babys sind, die ich von ganzem Herzen liebe!
Auch 5 Jahre später bin ich sofort mega aufgeregt und nervös, wenn mir jemand erzählt, dass er ein Buch von mir liest. Von MIR! Dem Dorfkind aus dem Norden. ;-)

Eigentlich wollte ich dieses kleine Jubiläum mit euch allen feiern. Eine große Party steigen lassen mit Champus und Häppchen - oder zumindest mit einem Gewinnspiel und tollen Preisen auf FB. ;-)

Tja, leider habe ich meine Pläne nicht so ganz in die Tat umsetzen können, da mir die Gesundheit einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Wie die meisten von euch wissen, war ich bis vor zwei Wochen im Krankenhaus und ich bin leider noch nicht wieder richtig fit. Zumindest nicht fit genug, um innerhalb von zwei Wochen eine Jubiläumsparty zu organisieren ... ;-)

Stattdessen stoße ich in aller Ruhe gedanklich mit und auf euch alle an.
Denn eins weiß ich - und das mache ich mir jeden Tag wieder bewusst! - ohne euch wäre ich jetzt nicht hier. Ich hätte es nie geschafft, meinen Traum zu verwirklichen und Schriftstellerin zu werden. Ohne euch, die ihr meine Geschichten lest, sie rezensiert, die ihr mit mir auf FB befreundet seid, mir auf Instagram folgt.
Ihr Lieben seid es, die mich mit ihren zauberhaften Worten und Taten immer unterstützt und an meiner Seite bleibt - auch wenn ich mal nicht so funktioniere, wie ich sollte. Und auch, wenn das Schreiben (so wie momentan) mal gar nicht voran geht ...

Ich kann euch gar nicht sagen, wie dankbar ich bin, dass es euch gibt - jeden einzelnen von euch! Und ich hoffe, ihr bleibt mir auch weiter treu - auch wenn ich mal nicht so schnell bin, ein neues Buch herauszubringen. ;-)

Einen kleinen Ausblick möchte ich euch noch geben, wie es in naher Zukunft weitergeht.

Kerry habe ich ja nach knapp fünf Jahren in Rente geschickt und Juli ist an ihre Stelle getreten. ;-)
Ich bin guter Dinge, dass es in diesem Jahr noch mindestens einen - vielleicht sogar zwei - Romane von mir geben wird.
Irgendwann - wenn die Zeit dafür reif ist - kommt auch noch ein gemeinsamer Syltroman mit Ben. Er ist eigentlich bereits fertig, muss sich aber noch ein bisschen gedulden, bis Ben und ich es schaffen, ihn in die große weite Welt zu entlassen.
Meine Bücher sind halt meine Babys ... Und das Loslassen fällt als "Mama" manchmal schwer. ;-)

Fühlt euch alle ganz fest gedrückt!
Danke, dass es euch gibt!

Eure Juli






Freitag, 4. Mai 2018

Wo ist die Zwischenwelt?

Hey ihr Lieben! 

Erinnert ihr euch noch an das Pärchen vom Bahnhof? Die Kurzgeschichte über die "Zwischenwelt", die ich vor ein paar Wochen über die beiden geschrieben habe? (Wenn ihr sie verpasst habt - HIER könnte ich sie noch mal nachlesen. ;-) ) 

Die beiden lassen mir keine Ruhe und irgendwie würde ich nur zu gern wissen, wie es weitergeht. 
Ob sie auf dem Weg zu ihrem Happy End sind? Oder ob sie sich nie wiedersehen? Sind die beiden noch so verliebt wie an dem Tag auf dem Bahnhof? Oder hat einer von ihnen den anderen bereits vergessen? Ganz ehrlich, ich weiß es leider nicht. :-(

Tja, eigentlich wollte ich genau das herausfinden und für heute eine Fortsetzung der Geschichte schreiben. Aber leider ... an manchen Tagen schaffe ich es nicht, an romantische Gefühle auch nur zu denken. Vielleicht kommt der zweite Teil noch irgendwann. Mal schauen ... 

Stattdessen habe ich euch heute etwas anderes mitgebracht. ;-) 

Das erste Kapitel meines neuen Romans habe ich euch ja in zwei Etappen schon gezeigt und da ich demnächst (hoffentlich ...! ;-) ) mit Hochdruck daran weiterschreiben werde, bekommt ihr heute schon mal den nächsten Teil - den Anfang des zweiten Kapitels. :-) 

Wer zum Reinkommen noch einmal das erste Kapitel lesen möchte, bitte hier entlang ... ;-) *klick*

Das Copyright liegt natürlich bei mir und ansonsten gilt wie immer - wer Fehler findet, darf sie behalten. ;-) Das ist die Rohversion und wird vor erscheinen noch so sieben- bis achttausend Mal überarbeitet ... ;-) 

Ich wünsche euch viel Spaß! <3 

Eure Juli



2.

Völlig übermüdet saß ich im Besprechungsraum im Bürotrakt des Kaufhauses und starrte stumpf in meine Kaffeetasse. Immer wieder musste ich ein herzhaftes Gähnen unterdrücken, während die anderen Mitglieder der Führungsetage nach und nach eintrudelten und sich einen Platz am großen Tisch suchten.
„Darf ich?“ Ich schreckte zusammen, als mich eine unbekannte Stimme ansprach. Verwirrt sah ich zu dem Mann auf, der mich fragend musterte und auf den leeren Stuhl neben mir deutete. Erst jetzt begriff ich, was er meinte.
„Ähm ja, klar!“
„Zeller ist mein Name. Ich bin der Neue in der Personalabteilung“, stellte der Mann sich freundlich lächelnd vor, nachdem er sich gesetzt hatte.
„Freut mich, Flindt. Dann haben Sie sich ja quasi selbst eingestellt.“
Verwirrt musterte Herr Zeller mich, dann verstand er und schüttelte lachend den Kopf.
„Entschuldigung, das war wohl nicht einer der besten Scherze. Schieben Sie es auf meinen Koffeinmangel.“ Erneut unterdrückte ich ein Gähnen und nahm stattdessen einen Schluck von meinem Kaffee.
„Oje, das klingt nach einer harten Nacht! Mehr Kaffee?“ Mitfühlend musterte Herr Zeller mich und ich schob nickend meine Tasse zu ihm hinüber, als er nach der auf dem Tisch stehenden Thermoskanne griff.
Dankbar lächelte ich Herrn Zeller an, als die Stimme meiner Mutter durch den Raum klang.
„Schön, dass Sie alle pünktlich sind. Fangen wir an.“ Innerlich rollte ich mit den Augen, denn mir war klar, dass sie mich mit dem Kommentar über die Pünktlichkeit meinte.

Während meine Mutter ihre übliche Ansprache hielt, ließ ich meinen Blick auf ihr ruhen, als würde ich gebannt zuhören, doch meine Gedanken schweiften ab zur letzten Nacht. Nachdem ich gegen halb eins endlich die Präsentation fertig gehabt hatte und glücklich in meinem Bett lag, dauerte es keine drei Minuten und ich war tief und fest eingeschlafen. Leider nur kurz, denn dann beschloss Paula, dass es Zeit für ihre Milch war.
Normalerweise bereitete ich die Flasche abends vor dem Zubettgehen vor, sodass ich nachts nur noch das abgekochte Wasser aus der Thermoskanne hinzufügen musste, doch heute hatte ich es vergessen. Dementsprechend lange dauerte es, bis ich meine hungrige Tochter versorgen konnte. Als sie endlich wieder schlief, blieben mir noch ganze dreieinhalb Stunden, bis mein Wecker mich nötigte, mein warmes Bett zu verlassen, um erst mein Baby zur Tagesmutter zu bringen und dann selbst ins Büro zur Sitzung zu eilen.
„Frau Flindt, wenn Sie dann so freundlich wären, auch gedanklich wieder zu uns zu stoßen? Dann könnten wir mit Ihrer Präsentation für neue Werbemaßnahmen weitermachen. Oder spricht etwas dagegen?“
Ich spürte, wie mir die Hitze in die Wangen schoss, als meine Mutter mich mit hochgezogenen Augenbrauen vorwurfsvoll anschaute und vor der versammelten Führungsriege maßregelte. Natürlich hatte ich diesen Anschiss verdient, dennoch war es mir peinlich, und es wurde auch nicht besser, als ich Herrn Zeller neben mir glucksen hörte, als müsste er ein Lachen unterdrücken. Kurz funkelte ich ihn böse an, was er nur mit einem frechen Grinsen quittierte, dann griff ich nach meinen Unterlagen und ging nach vorn.

Kaum war die Besprechung beendet, sah ich zu, dass ich aus dem Raum kam. Ich mochte es nicht sonderlich, vor Leuten sprechen zu müssen, erstrecht nicht nach einer schlaflosen Nacht, wenn ich Augenringe hatte, wie ein Waschbär auf Drogen, und kaum einen geraden Satz herausbrachte. Dies jetzt war einer der Momente, in denen ich bereute, dass ich mit dem Rauchen aufgehört hatte. Wie gern würde ich mir jetzt ein paar Minuten Auszeit nehmen und den beruhigenden Rauch inhalieren. Einfach die Augen schließen, den Vögeln auf dem Hof hinter dem Kaufhaus lauschen, mein Gesicht in die warme Frühlingsonne halten und ein paar Minuten nichts tun. Warum hatte ich eigentlich aufgehört zu rauchen? Ich schob meine merkwürdigen Gedanken auf die Übermüdung und machte mich auf den Weg zu meinem Büro. Eigentlich war ich sehr froh darüber, dass ich es vor mittlerweile über zwei Jahren geschafft hatte, von den Glimmstengeln loszukommen.
„Frau Flindt?“
Die Hand schon auf der Türklinke drehte ich mich um, als jemand meinen Namen rief. Herr Zeller war es, der lächelnd auf mich zueilte.
„Ich wollte mich nur bei Ihnen entschuldigen. Es tut mir leid, dass ich vorhin so lachen musste, als Sie zusammengestaucht wurden. Ich wollte Sie damit nicht verletzen, aber Ihre Mutter …“ Er brach ab, als wäre er unsicher, was er mir gegenüber über meine Mutter sagen durfte. So war es bei den meisten Kollegen. Ich wusste, dass sie keine einfache Chefin war, dass sie extrem hohe Ansprüche stellte und wer nicht funktionierte, wurde eiskalt abgemahnt, doch niemand wagte es in meinem Beisein, ein schlechtes Wort über sie zu verlieren. Als wäre ich ihr Spion und würde alles sofort brühwarm an sie weitergeben. Niemand sah, dass die Ansprüche, die meine Mutter an mich stellte, deutlich höher waren, als die an den Rest der Belegschaft. Sie forderte einhundert Prozent Leistung vom Personal – von mir allerdings mindestens zweihundert. Da ich wusste, dass Herr Zeller nicht weiterreden würde, drehte ich mich wieder zu Tür.
„Warten Sie!“ Erneut hielt der neue Personalchef mich auf und legte mir die Hand auf den Unterarm, damit ich ihn anschaute. „Ich wollte Ihnen noch sagen, dass ich Ihre Ideen, das neue Marketingkonzept und die Umstellung der Kollektionen großartig finde. Ich meine, ich habe keine wirkliche Ahnung von Mode, ich kenne mich nur mit dem Personal aus, aber ein wenig altbacken ist die Kaufhauskette ja schon. Jedenfalls habe ich vor meiner Anstellung nie einen Fuß in einen der Läden gesetzt, weil ich immer das Gefühl hatte, die Klamotten wären eher für die Generation meiner Eltern. Oder Großeltern …“ Ein verschämtes Grinsen legte sich auf seine Lippen, als wäre ihm dieses Geständnis unangenehm. Doch ich wusste genau, was er meinte.
„Ja, so ist es. Und genau dafür bin ich da – um das zu ändern. Damit wir mehr jüngere Kundschaft ansprechen. Mode für betuchte, ältere Damen und Herren, die sich auch genauso gediegen kleiden möchten, gibt es in Hamburg mehr als genug. Was mir fehlt, ist die jüngere Generation, die ausgesuchte, qualitativ gute Kleidung wünscht, und nicht in einer der ganz großen Ketten Ware von der Stange kaufen möchte, sondern ein wenig exklusiver“, erklärte ich Herrn Zeller und er nickte.
„Das kann ich verstehen. Die Zeit wandelt sich und damit auch die Kundschaft. Wir müssen am Ball bleiben, bevor die Konkurrenz es macht.“
„Nicht Konkurrenz. Mitbewerber!“, korrigierte ich lachend und Herr Zeller stieg mit ein.
„Oh stimmt! Das klingt gleich viel netter“, bestätigte er grinsend. Wieder fiel mir dieses schalkhafte Funkeln in seinen Augen auf. Ich kannte ihn zwar erst seit heute Morgen, doch er schien sehr nett zu sein. Vielleicht ergab sich ja nun häufiger die Gelegenheit für ein kurzes Gespräch. Ich hatte nicht sonderlich oft die Gelegenheit, mich mit Erwachsenen zu unterhalten. Entweder ich war hier in der Firma, wo die Kollegen auf Abstand zu mir, der Tochter der Chefin, gingen, oder ich hatte mit meinem Baby mehr als genug zu tun. Einzig das wöchentliche Gespräch mit den Großeltern der väterlichen Seite meiner Tochter waren die Möglichkeit, mich einmal vernünftig auszutauschen.
„Vielleicht sehen wir uns die Tage ja mal in der Teeküche oder gehen in der Mittagspause einen Kaffee trinken. Dann könnten Sie mir noch ein bisschen mehr über das Modegeschäft erzählen“, schlug Herr Zeller vor, als hätte er meine Gedanken gelesen.
„Ja, sehr gern. Sie wissen ja, wo Sie mich finden.“ Ich deutete hinter mich auf das Schild neben der Tür zu meinem Büro, auf dem in schwarzen Lettern „Nele Flindt, Marketing“ stand. „Meine Bürotür steht Ihnen jederzeit offen. Ich würde mich freuen.“
„Dann bis bald. Ich freu mich auch!“ erwiderte Herr Zeller. Gerade als er sich abwandte, schallte ein Ruf quer über den Flur.
„Toby? Hör auf zu flirten und komm. Zeit für die Mittagspause.“
Die Antwort, die Herr Zeller dem Kollegen gab, bekam ich nicht mehr mit. Wie hinter einem Schleier versank die Welt um mich herum. Ein eisernes Band legte sich um meinen Brustkorb und nahm mir die Luft zum Atmen.

Freitag, 27. April 2018

Meine Welt ist bunt ... oder: 7,5 Wochen

Guten Morgen und einen sonnigen Freitag wünsche ich euch! :-)

Was ich mit der Überschrift sagen will? Da kommen wir gleich zu. ;-)

7,5 Wochen ist es her, dass ich dieses Foto gemacht habe. Den Baum, den ich in den letzten Wochen jeden Tag sehen durfte. 


7,5 Wochen ... unglaublich, wie schnell die Zeit vergangen ist und noch viel unglaublicher, was in dieser Zeit so alles passiert ist! 

Als ich vor 7,5 Wochen in mein "Zuhause auf Zeit" gezogen bin, hatte ich einen dicken Angst-Knoten im Bauch und gefühlte eine Million Fragen im Kopf. Ich hatte keine Ahnung, was auf mich zukam und ich war zutiefst verunsichert. 
Und dann war da dieser Baum ... Dieser alte Baum hat mich vom ersten Moment an fasziniert. Er strahlte so viel Ruhe aus, so viel Sicherheit. Sicherheit, die ich ganz dringend brauchte. Und genau das hat dieser Baum mir gegeben. Vom ersten bis zum letzten Tag. 
Ich weiß nicht, wie oft ich auf seinen Wurzeln gesessen habe, den Rücken an den Stamm gelehnt. Bei Regen, bei Sonne, bei Tag und auch bei Nacht. Ich habe nachgedacht, gegrübelt, ich habe die Sterne beobachtet, die Vögel, die Kaninchen (es gibt da gaaaanz viele und sie sind so süß!). Ich habe dort gesessen, Musik gehört und geschrieben. 
Ich habe mich beschützt gefühlt. Und glücklich. 
Ja, je mehr Zeit verging, desto mehr konnte ich sowas wie Glück und Freude wieder fühlen. 

Und nun ... 

7,5 unglaubliche Wochen liegen hinter mir. 

Die ersten Tage war ich komplett überfordert - so viele Menschen! Und das mir, wo ich doch so gern mit mir (und der Wauz ... ;-) ) allein bin. 
Aber dann habe ich gemerkt, wie herzlich alle sind. Ich hatte das Gefühl, willkommen zu sein. Als würden die Leute sich freuen, dass ich da war. ICH! 

Die Ärzte, das Pflegeteam, die Therapeuten - sie alle waren immer für mich da. Sie hatten zu jeder Zeit ein offenes Ohr und haben mir (und allen anderen Patienten!) mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Ich glaube, ich habe in meinem Leben selten so viel in so kurzer Zeit gelernt. Über mich, über mein Leben, über das, was ich möchte - und auch das, was ich nicht (mehr) möchte, über den Umgang mit diesen "grauschwarzbunten Regenbogentagen". Ohne sie alle hätte ich das niemals geschafft. 
(Und falls einer von Ihnen zufällig diesen Blog liest - ich kann mich gar nicht genug bedanken! Sie sind so großartig in Ihrem Job! DANKE!!!)

Ich habe Menschen kennengelernt, die mir zu Freunden geworden sind und mit denen ich sicher noch ganz lange Kontakt haben werde. 
Und Menschen, die ich ganz fest in meinem Herzen trage und die ich nie wieder aus meinem Leben lassen möchte. (Du weißt, dass du gemeint bist ... ;-) )

Ich habe gelacht, bis ich keine Luft mehr bekommen habe, ich habe geheult wie ein Baby. Ich war wütend - und habe gelernt, dass ich es sein darf. Ich habe sämtliche Emotionen durchgemacht, aber das gehört wohl dazu ... ;-)

Allerdings habe ich nicht nur neue Menschen dazu gewonnen, ich habe mich auch von Menschen verabschiedet. Innerlich ebenso wie äußerlich. 
Ich möchte niemanden mehr in meinem Leben haben, der so tut, als wären wir Freunde, während er hinter meinen Rücken schlecht über mich redet. Der anderen erzählt, dass er sich nur mit mir abgibt, weil ich ihm nutze. Jemanden, der mich verantwortlich macht, weil er selbst mit seiner Gefühlswelt nicht klar kommt. Der mich manipuliert, damit ich in seinem Sinne "funktioniere" ...

Früher dachte ich mal, ich wäre nicht gut genug für manche Menschen. Nun weiß ich, manche Menschen sind nicht gut genug für mich! 
Und wisst ihr was? Ich fühle mich total erleichtert, diesen Ballast los zu sein. :-) 

Natürlich ist nicht jeder Tag gleich, es gibt gute und schlechte Tage, aber haben wir die nicht alle? ;-) 

Manche meiner Tage sind grau oder auch mal schwarz, dennoch habe ich gelernt, dass diese Tage dazu gehören. Ich habe gelernt, dass auch diese Tage ihr Gutes haben, denn sie bringen mich zurück zum wichtigsten Menschen meines Lebens - zu mir selbst! 

Und die wichtigste Lektion war wohl, dass ich gelernt habe, auf mich selbst zu achten. Für mein Wohlbefinden zu sorgen. 

Im Großen und Ganzen kann ich genau das sagen, was oben schon steht. 

Meine Welt ist wieder bunt! 

Und ich werde alles daran setzen, dass es auch so bleibt. 

Denn ICH bin der wichtigste Mensch meines Lebens. Und ich muss dafür sorgen, dass es mir gut geht. Immerhin muss ich mich für den Rest meines Lebens ertragen. ;-) 

Der Baum, der mich in den letzten Wochen jeden Tag begleitet hat, sieht nun so aus. Genau wie meine Welt ist auch er in den letzten Wochen bunt geworden. 




Gestern habe ich mich verabschiedet - mit einem lachenden Auge und einem weinenden. Vom Baum und auch von den vielen wundervollen Menschen.
Denn trotz allem war es eine großartigen Zeit auf die ich mit Sicherheit immer gern zurückblicken werde. 

Ich wünsche euch ein tolles Wochenende - und kümmert euch gut um euch selbst! 

Eure Juli









Freitag, 20. April 2018

Normal anders? Oder anders normal?



Neulich sagte jemand zu mir: "Du bist anders als andere Frauen!" 

Ich muss zugeben, im ersten Moment ging mir der Ar*** ein wenig auf Grundeis. ;-) Anders? Was heißt denn anders? Und ist das jetzt gut? Oder eher schlecht? 

Ich hab - natürlich - nachgefragt und bekam als Antwort: "Na ja, halt nicht wie andere Frauen. Du bist nicht so normal, du bist halt anders." 

Okay, den Rest des Gesprächs erspare ich euch, nur so viel: Dieser Satz kam von einem Mann und er meinte ihn als absolutes Kompliment. :-)

Ich hab mich total darüber gefreut, dass ich so wahrgenommen werde. Allerdings wäre ich nicht ich, wenn ich nicht über solche ungewöhnlichen Sätze - oder besser Komplimente - nachdenken würde. 
Dabei ist mir etwas aufgefallen. Egal wo, ob im realen Leben, auf Facebook, Instagram oder sonstwo bezeichnen die Leute sich selbst als "anders". Wenn irgendwo etwas gepostet wird, dass normal ja langweilig wäre, schrei(b)en die Menschen "Ich bin froh, dass ich anders bin!" 

Aha ... okay! Jeder ist anders, keiner ist normal. 
Was für eine Reisenüberraschung! - Sorry, Ironie ist schwierig zu schreiben, stellt euch einfach mein Grinsen und das Augenzwinkern dazu vor ... ;-) 

Ich meine, natürlich ist jeder anders. Schließlich sind wir alle Individuen und niemand möchte gern in eine Schublade gesteckt werden. Allerdings ... Wer entscheidet eigentlich, was normal und was anders ist? 
Ein Punker unter Punkern ... Nur so als Beispiel ... ist der anders? Oder ist er da normal? Oder vielleicht normal anders? Oder gar anders normal? 
(Könnt ihr meinen verwirrten Gehirnwendungen überhaupt noch folgen? ;-) ) 

Kommen wir zurück zu meinem Kompliment. Klar freue ich mich, dass ich bei diesem Mann einen solch bleibenden Eindruck hinterlassen habe, dass er mich anders wahrnimmt als andere Frauen. Dass ich ihm (positiv! ;-) ) aufgefallen bin. Aber dennoch ... Bin ich wirklich anders? Oder bin ich nicht einfach normal? 

Schauen wir doch mal ...
Ich wohne in einem Haus, habe durchschnittliche zwei Kinder, einen Hund und einen Garten. Ich gehöre in ein kleines Dorf und lebe damit, dass meine Nachbarn sich darüber "austauschen", wenn ich meinen Rasen nicht rechtzeitig mähe. Klingt ganz normal, oder? ;-) 

Okay, betrachte ich mich mal von der anderen Seite. Oder sollte ich sagen von der "Anders"-Seite? 
Ich habe mehrere Tattoos und Piercings, ich habe genau eine Jeans im Schrank, die kein Loch aufweist. Ich besitze irgendwo ein Paar Pumps, trage sie allerdings nur unter Zwang. Ich habe keinen Schuhtick, gehe ungern shoppen, finde Parfümerien - und auch Parfums - ziemlich unerträglich und wehre mich, außer zu besonderen Anlässen ein Kleid anzuziehen. 
Ich gehöre in ein kleines Dorf, in dem die Menschen gern tratschen, aber es interessiert mich nicht sonderlich, wer was über mich sagt und wer sich bei Meier, Müller und Schulze drüber aufregt, dass mein Rasen mal wieder nicht gemäht ist. 

Und nun? Bin ich nun anders? Oder bin ich normal? Oder bin ich vielleicht tatsächlich anders normal oder normal anders? 
Was denkt ihr? Was bin ich - und was ich viel spannender finde - wie seht ihr euch? ;-) 

Wollt ihr wissen, zu welchem Ergebnis ich gekommen bin? ;-) 
Also ganz ehrlich - es ist egal, was von alledem ich bin. Wichtig ist mir nur eins: Ich bin ICH!

Ich bin authentisch, ich bin echt. Ich muss anderen keine Lügengeschichten erzählen, um mich besser und überlegen zu fühlen. Ich muss mich nicht in irgendeiner Form an andere anwanzen, nur um zu den "coolen Kids" zu gehören oder erfolgreich zu sein. Ich muss mich nicht verbiegen, um allen Dorfbewohnern zu gefallen. 

Ich bin nun mal so, mich gibt es nicht anders. ;-) Ich könnte auch gar nicht anders sein. 

Wenn ich heule, wenn ich lache, wenn ich rede wie ein Wasserfall, wenn ich nachdenklich schweige. Ich bleibe ich. Und wisst ihr was? Es gibt Leute, die lieben mich tatsächlich, weil ich genau das bin. ICH! 

Vor kurzem habe ich jemanden gefragt, was er eigentlich an mir findet. 
Er kennt mich verheult wie ein Baby und mit verschmierter Maskara wie ein Panda. Er kennt mich mich frisch geduscht, noch nass wie ein Fischotter, ungeschminkt und im Schlabberlook. Er kennt meine Narben - die äußeren und die inneren. Er kennt die Seiten, die man eigentlich nicht soooo gern jemand anderem zeigt (erst recht nicht, wenn man denjenigen kaum kennt ... ;-) ), diese dunklen Seiten, die man eigentlich verstecken möchte. 

Wisst ihr, was derjenige auf meine Frage geantwortet hat? 

"Dass du immer, egal was du tust, authentisch bist." 

Ein einziger Satz und dennoch ... Wow! Ich war sehr gerührt, das gebe ich zu. Denn das ist es doch, was ich möchte. Ich möchte geliebt werden für das, was ich wirklich bin. Nicht dafür, zu sein, wie andere mich gern hätten. Und mal ehrlich - wollen wir das nicht alle? 


Ich wünsche euch ein sonniges Wochenende und holt euch keinen Sonnenbrand! ;-) 
Liebe Grüße 
Eure Juli  

Freitag, 13. April 2018

Drei Wochen ...


Moin ihr Lieben! 
Schwupps, da ist er wieder ... Fre(u)itag und der Start in ein hoffentlich sonniges Wochenende. ;-)

Mögt ihr mitkommen auf eine Reise quer durch Italien? Habt ihr Lust auf Sommer, Sonne und dolce vita? ;-) 

Dann habe ich vielleicht das Richtige für euch. ;-) 

Da mein Sommerroman "Drei Wochen und ein ganzes Leben" derzeit als E-Book im Kindle Deal des Monats April bei Amazon ist, habe ich euch eine kleine Leseprobe mitgebracht. 

Heute gibt es hier das komplette erste Kapitel zum Reinschnuppern. 

Viel Spaß und genießt die Zeit!  



Samstag, den 10. Juni

~*~ Hamburg ~*~

„Und du bist dir ganz sicher, dass du das machen willst?“ Besorgt wanderte der Blick meiner Mutter zwischen mir und meinem überdimensionalen Trekkingrucksack hin und her. Ihre Augen schwammen in Tränen, doch sie kämpfte sichtbar dagegen an. Verständnisvoll lächelnd nahm ich sie in den Arm und drückte sie an mich. Ich wusste, wie schwer es ihr fiel, mich gehen zu lassen. Das war mir bereits klar, bevor ich diese Reise geplant hatte. Ich war ihr Baby, ihr Nesthäkchen, ihr Augapfel. Die letzten 25 Jahre war es ihre Aufgabe gewesen, mich vor allem, was mir schaden konnte, zu beschützen – und das hatte sie getan.
Zwar war sie dabei regelmäßig über das Ziel hinausgeschossen und hatte mir oft genug die Luft zum Atmen genommen, aber ich wusste immer, sie tat es aus Liebe zu mir.
„Ja, Mamma, ich bin mir ganz sicher! Und es sind ja nur ein paar Wochen. Ich habe es dir doch erklärt: Ich möchte auf den Spuren meiner Vorfahren wandeln und das Land kennenlernen, aus dem ich eigentlich stamme.“
„Deine Großeltern haben Sizilien nie wirklich verlassen. Da gibt es nicht sonderlich viele Spuren deiner Vorfahren, auf denen du wandeln kannst“, mischte mein Vater sich mürrisch ein und schüttelte genervt den Kopf. Während meine Mutter Probleme damit hatte, mich allein losziehen zu lassen, vertrat mein Vater die Meinung, es wäre rausgeworfene Zeit. Er konnte nicht nachvollziehen, warum ich – eine Tochter aus gutem Hause – freiwillig fast vier Wochen mit dem Rucksack durch Italien touren wollte. Ein Urlaub nach seinem Geschmack wäre es gewesen, mit dem Flugzeug erster Klasse zu fliegen und dann in Fünf-Sterne-Hotels zu wohnen.
Aber das war es nicht, was ich wollte. Ich wollte keine Upper-Class-Reise, ich wollte die Freiheit spüren, wollte Land und Leute kennenlernen, anstatt klimatisierter Hotels und viel zu teurem Essen. Ich brauchte keinen Prunk, keinen Glitzer und Glamour. Ich wollte das wahre Leben entdecken. Das Leben außerhalb der Mauern unserer Hamburger Villa und der besseren Gesellschaft. Doch das war ein Punkt, den mein Vater nie verstehen würde. Wir waren einfach zu unterschiedlich.
„Babbo, bitte!“ Flehend sah ich zu meinem Vater auf, der missmutig die Arme vor der Brust verschränkt hatte. Ich mochte mich nicht noch mit ihm streiten, ich wollte nicht, dass wir so auseinandergingen. „Gib mir diese vier Wochen. Sie gehen ganz schnell vorbei und danach bin ich komplett für deine Kanzlei da.“ Beim Gedanken daran lief mir ein unangenehmer Schauer über den Rücken. Es fühlte sich an, als wäre mein Leben nach diesen vier Wochen vorbei. Denn wenn ich wieder zu Hause war, musste ich in der Anwaltskanzlei meines Vaters antreten. Mein Jurastudium war abgeschlossen, die letzten Prüfungen lagen gerade hinter mir, bald ging der Ernst des Lebens los. Doch während meine Kommilitonen es gar nicht abwarten konnten, endlich loszulegen, bildete sich in meinem Magen ein unangenehmer Kloß.

Als ich Jolas alten Golf die lange Einfahrt zur Villa meiner Eltern hochkommen sah, wandte ich mich erneut meiner Mutter zu, die noch immer gegen die Tränen kämpfte.
„Vier Wochen, Mamma! Die vergehen ganz schnell, versprochen! Und wir werden zwischendurch telefonieren. Du wirst kaum merken, dass ich weg bin.“
Nun löste sich die erste Träne aus ihrem Augenwinkel. Schniefend wischte sie sie weg und schloss mich fest in die Arme. „Du bist einfach mein Baby, Sienna. Und du wirst es immer bleiben. Deine Geschwister sind schon so erwachsen, aber du … Jetzt verlässt auch du das heimische Nest und das …“ Sie brach ab und atmete tief durch, um sich wieder zu sammeln. Dann löste sie sich von mir und nahm meine Hände zwischen ihre. „Hier, falls du irgendetwas brauchst. Aber verrat es nicht deinem Vater“, sagte sie verschwörerisch, und ich spürte, wie sie mir ein Bündel Geldscheine in die Hand schob, während sie meinem Vater einen verstohlenen Blick zuwarf. Er bekam nicht mit, worüber wir sprachen, da er gerade Jola begrüßte, die aus dem Auto stieg.
„Mamma, ich habe genug Geld! Wirklich! Ich brauche es nicht!“, protestierte ich und versuchte, ihr das Geldbündel wiederzugeben, doch sie wiegelte ab.
„Sieh es als Notgroschen. Falls irgendetwas ist. Du weißt nie, was geschieht.“
Seufzend steckte ich das Geld ein und bedankte mich bei meiner Mutter. Ich wusste, sie meinte es nur gut, aber ich hätte ihr Geld wirklich nicht gebraucht – und eigentlich wollte ich es auch nicht.
Diese Reise war mein Wunsch. Sie war mein Ausbruch aus diesem goldenen Käfig, der mein Leben in den letzten fünfundzwanzig Jahren gewesen war. Sie sollte nicht dafür bezahlen, ich wollte es allein schaffen.
„Wollen wir dann los? Nicht dass der Zug noch ohne dich fährt.“ Jola riss mich aus meinen Gedanken. Ein Blick auf die Uhr an meinem Handgelenk verriet mir, dass wir uns sputen mussten, wenn ich meinen Zug rechtzeitig erreichen wollte.
Schnell verabschiedete ich mich von meinen Eltern und hievte den schweren Trekkingrucksack in Jolas Kofferraum.
„Ich melde mich, wenn ich in Basel bin!“ Ich winkte den beiden noch einmal zu und stieg in den Wagen. Als wir die lange Auffahrt hinunterfuhren, konnte ich im Rückspiegel sehen, wie meine Mamma sich an Babbo schmiegte. In diesem Moment musste auch ich gegen einen Kloß in meinem Hals ankämpfen.

„Und du bist dir wirklich sicher, dass du mich nicht mitnehmen willst?“, fragte Jola, während sie durch Hamburgs Straßen fuhr, und schubste mich leicht mit dem Ellenbogen an.
„Ja, bin ich! Diese Reise ist nur für mich allein.“
„Aber du weißt, dass wir zu zweit eine Menge Spaß haben würden, oder? Wir würden Italien und vor allem die italienische Männerwelt mal so richtig aufmischen“, sagte sie kichernd.
„Das werden wir auch, Süße. Aber die Männerwelt muss warten, bis wir auf Sizilien sind.“
„Du bist gerade wirklich auf dem Selbstfindungstrip, oder?“
Ich zuckte mit den Schultern und sah aus dem Fenster. Ein letztes Mal nahm ich meine Heimatstadt bewusst wahr, bevor ich für die nächsten Wochen verschwand und die Welt außerhalb der High Society, weitab von schicken Hotels, Nobelrestaurants und First-Class-Flügen kennenlernte.
„Selbstfindungstrip? Ich weiß nicht … Ich würde es eher als Abenteuer bezeichnen.“ Wir hatten bereits unzählige Male darüber gesprochen, und ich hatte Jola immer wieder erklärt, was mich antrieb.
„Das weiß ich doch, Süße! Und ich finde es toll, dass du es machst. Ich bin nur ein bisschen neidisch, weil du megacoole Orte sehen und wahnsinnig viel erleben wirst. Ich meine … Mailand! Was kannst du da shoppen!“
Kichernd schüttelte ich den Kopf. „Ich fahre doch nicht zum Einkaufen dahin. Außerdem ist Mailand längst nicht mehr so spannend, wenn man schon diverse Male da war. Ich will das Land kennenlernen und die Leute. Ich will mir selbst beweisen, dass ich auf eigenen Füßen stehen kann, ohne dass Mamma und Babbo einspringen, wenn es mal schwierig wird. Abgesehen davon … Hast du dir mal meinen Rucksack angeschaut? Der ist so knallvoll, da passt nicht mal mehr ein Paar Socken rein. Shoppen ist also nicht.“

Am Hauptbahnhof angekommen, parkte Jola ihren alten Golf frech in einer Parkverbotszone.
„Willst du hier so stehen bleiben?“, fragte ich und deutete auf das Schild, das unübersehbar direkt vor uns hing.
„Klar! Ist ja grad keine Parklücke frei, und du glaubst doch nicht, dass ich dich allein zum Bahnsteig gehen lasse. Wenn meine beste Freundin zu so einem Abenteuer aufbricht, werde ich sie zumindest vernünftig am Zug verabschieden.“
„Und wenn du zurückkommst, ist dein Auto abgeschleppt“, gab ich zu bedenken, aber Jola lachte nur und stieg aus. Nach einem letzten Blick auf das Parkverbotsschild folgte ich ihr. Als ich am Kofferraum ankam, hievte sie gerade meinen Rucksack heraus.
„Boah, was hast du da drin?“, fragte sie ächzend und stellt ihn auf den Boden. „Hast du zur Sicherheit noch ein paar Backsteine mitgenommen? Damit du was zum Werfen hast, falls dich jemand belästigt?“
Ich schüttelte den Kopf und schnallte mir das schwere Teil auf den Rücken. Jola hatte recht. Wenn ich nicht wüsste, was ich alles eingepackt hatte, würde ich auch auf Backsteine tippen.
Als wir am richtigen Bahnsteig ankamen, war ich vollkommen aus der Puste. Mein T-Shirt und die Jeansjacke klebten unangenehm feucht an meinem Rücken. Schnell befreite ich mich von dem Ungetüm auf meinen Schultern und ließ den Rucksack auf den Boden fallen. Wenn ich daran dachte, dass ich das Teil die nächsten Wochen würde schleppen müssen, wurde mir ein wenig mulmig. Natürlich hatte ich das Gewicht des Trekkingrucksacks beim Packen getestet, doch ihn einmal kurz hochzunehmen und wieder abzustellen war etwas ganz anderes, als ihn über Hunderte Meter zu tragen. Na super! Das konnte ja heiter werden. Ich sah mich schon ächzend vor Schmerzen und Muskelkater irgendwo am Straßenrand liegen. Schnell schüttelte ich den Kopf, um diese Bilder aus meinem Kopf zu vertreiben.
„Und du bist sicher, dass du nichts vergessen hast?“, fragte Jola und stupste meinen zwischen uns stehenden Rucksack mit der Schuhspitze an.
„Selbst wenn, wäre es jetzt wohl ein bisschen zu spät“, erwiderte ich. „Aber nein, ich denke, ich hab alles.“ In diesem Moment wurde ich von einem einfahrenden Zug unterbrochen, der lautstark an uns vorbeiratterte und mit quietschenden Bremsen zum Stehen kam.
„Auf geht’s!“, sagte Jola und trat vor mich. Sie legte ihre Hände auf meine Schultern und drückte leicht zu, bevor sie mich in ihre Arme zog. „Ich wünsche dir ganz viel Spaß und tolle Erfahrungen. Genieß dieses Abenteuer – aber lass die Finger von der Männerwelt. Vergiss nicht, die erobern wir gemeinsam, wenn wir uns auf Sizilien treffen. Ich freu mich schon! Am liebsten würde ich gleich anfangen zu packen.“
„Na, das wäre wohl ein wenig früh“, erwiderte ich feixend. „Du musst noch ein bisschen warten. Aber ich freue mich drauf, dich in drei Wochen am Flughafen in Empfang zu nehmen. Und bis dahin … wird sicher alles gut gehen. Ich hab dich lieb, Süße!“ Ich gab Jola noch einen Kuss auf die Wange, dann stemmte ich den Rucksack erneut auf meinen Rücken und stieg in den ICE, der mich zu meiner ersten Station nach Basel bringen würde.

Nachdem ich das richtige Abteil gefunden hatte, richtete ich mich für die nächsten Stunden häuslich ein. Bisher hatte ich noch keinen Mitfahrer, daher konnte ich mich ein wenig ausbreiten.
Jola hatte den Bahnsteig schon verlassen. Wahrscheinlich hatte sie doch Sorge, dass ihr Auto abgeschleppt werden könnte. Als der Zug den Bahnhof verließ, lehnte ich mich entspannt zurück und schloss die Augen.
Das Bild meiner Mamma erschien in meinem Kopf. Wie traurig sie auf der Auffahrt gestanden und dem Wagen hinterhergeschaut hatte. Wie sie sich dort an meinen Vater gelehnt hatte, wirkte sie so klein und zart. Ich wusste, es tat ihr weh, mich gehen zu lassen. Doch sie wusste, sie hatte keine Chance, mich zu halten.
Ich erinnerte mich, wie meine Eltern reagiert hatten, als ich ihnen vor ein paar Wochen von meinen Reiseplänen erzählte. Meine Mutter war in Tränen ausgebrochen und wollte sich gar nicht mehr beruhigen. Immer wieder betonte sie, wie gefährlich es doch wäre, als Frau allein zu reisen. Sie zählte auf, was alles passieren konnte, und versuchte, mich umzustimmen.
Mein Vater hingegen hatte ganz anders reagiert. Als Familienoberhaupt hatte er nur grimmig die Arme vor der Brust verschränkt, den Kopf geschüttelt und gesagt: „Nein!“
Nur dieses eine Wort. „Nein!“
Jedes Mal, wenn ich versucht hatte, ihm zu erklären, dass ich trotzdem fahren würde, dass ich bereits gebucht hatte, kam es wieder: „Nein!“
Für ihn gab es keinerlei Diskussion. Er sagte kategorisch nein und ich hatte zu spuren. So war es immer gewesen. Doch ab sofort nicht mehr!
Ein paar Tage lang ging es so. Meine Mamma versuchte, mich mit Horrorstorys, die sie irgendwo gelesen hatte, umzustimmen. Sie erzählte mir von ausgeraubten Touristinnen. Von in der Bahn geklautem Gepäck. Von Vergewaltigungen. Von Messerstechereien. Von im Schlaf Ermordeten in irgendwelchen Hostels.
All das waren Sachen, die ich nicht hören wollte. Sosehr ich Mamma verstand, ich wollte mir von ihr keine Angst machen lassen.
Von meinem Vater hingegen kam auch in den Tagen danach nur dieses eine Wort, wenn ich versuchte, auf meine Reise zu sprechen zu kommen. Nein!
Irgendwann fragte ich ihn, ob er eigentlich wüsste, dass ich fünfundzwanzig Jahre alt sei und somit durchaus in der Lage und gesetzlich befugt, solche Entscheidungen selbst zu treffen.
„Meine Tochter wird nicht wie ein Hippie mit Bus und Bahn quer durch Italien reisen!“, war seine Antwort. Damit ließ er mich stehen. Er hatte seinen Standpunkt wieder einmal klargemacht.
Zwei Tage später lenkte er unverhofft ein. Was ihn dazu getrieben hatte, verstand ich bis heute nicht. Er vertrat zwar noch immer die Meinung, dass es rausgeworfene Zeit wäre, aber es kam nicht mehr das kategorische „Nein“ von ihm. Er schien sich damit abzufinden, da er sowieso nichts dagegen machen konnte, dass ich fuhr. Ich war überrascht, weil er meine Entscheidung auf einmal akzeptierte, und freute mich, dass ich es geschafft hatte, mich gegen meinen Vater zu behaupten. Das war in meinem Leben eher selten der Fall gewesen. Meist gab er Anweisungen, und die Familie hatte Folge zu leisten, ohne aufzumucken. So war es auch mit meinem Studium. Von klein auf war klar, dass ich Jura studieren und ebenso wie meine drei älteren Geschwister in die Kanzlei meines Vaters einsteigen würde. Ich konnte nicht einmal sagen, ob ich diesen Beruf für mich selbst gewählt hätte, wenn es meine Entscheidung gewesen wäre. Da es allerdings nicht meine Entscheidung war, hatte ich nie weiter darüber nachgedacht, was ich vielleicht lieber studiert hätte. Ich wollte mich nicht damit befassen, weil ich keine Sehnsucht, keinen Wunsch wecken wollte, der unerfüllbar bleiben würde.

„Hier noch Kaffee? Etwas Kaltes? Ein Schokoriegel?“ Ich öffnete die Augen, als eine männliche Stimme an mein Ohr drang. In der Tür zum Abteil stand ein Mann mit einem Servierwagen aus dem Bordrestaurant. Kaffee war jetzt gar keine so schlechte Idee.
„Haben Sie auch Cappuccino?“, fragte ich und der junge Mann schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein, tut mir leid. Cappuccino gibt es nur im Bordrestaurant. Ich habe bloß normalen Filterkaffee.“ Entschuldigend deutete er auf die große Thermoskanne. 
„Okay, dann hole ich mir dort einen. Vielen Dank.“ Während ich in meinem Rucksack nach meinem Portemonnaie kramte, schloss er die Tür und zog weiter. Als ich es gefunden hatte und den Kopf wieder hob, sah ich, wie jemand in mein Abteil hineinschaute. Die Hände rechts und links an das Gesicht gelegt, starrte er durch die Scheibe, bis er merkte, dass ich ihn entdeckt hatte. Es ging so schnell, ich konnte das Gesicht nicht klar erkennen, denn im selben Moment zog derjenige hektisch den Kopf ein und eilte weiter. Eigentlich war gar nichts dabei. Vermutlich war es nur ein anderer Fahrgast, der seinen Platz gesucht hatte. Dennoch kam mir die Situation merkwürdig vor. Ich konnte nicht sagen warum, es war nur ein Bauchgefühl. Aber leider ein ungutes …
„Was war das denn?“, fragte ich mich leise. Dann schüttelte ich über mich selbst den Kopf. „Hat der Typ sich gerade wirklich benommen, als hätte ich ihn bei etwas ertappt? Oder werde ich jetzt schon paranoid nach den ganzen Horrorstorys, die Mamma mir erzählt hat?“ Auf einmal traute ich mich nicht, mein Gepäck allein im Abteil zu lassen, während ich ins Bordrestaurant ging. Seufzend steckte ich mein Portemonnaie wieder weg und holte eine Wasserflasche heraus, die ich von zu Hause mitgebracht hatte. Hätte ich doch bloß einen normalen Kaffee von dem jungen Mann und seinem Servierwagen genommen. Jetzt musste ich leider auf den kleinen Koffeinschub verzichten.



Naaa, seid ihr neugierig, wie es im nächsten Kapitel weitergeht? Ob Sienna wohl ihren Kaffee noch bekommt? ;-) 
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Momentan reduziert - es lohnt sich also, zuzuschlagen. ;-) 

Freitag, 6. April 2018

Und nun?

Hallo ihr Lieben, 

nachdem der Blog von letzter Woche, diese kleine Geschichte über die "Zwischenwelt" einen solchen Anklang gefunden hat, wusste ich nicht so recht, was ich diese Woche schreiben sollte. 
Die Geschichte von Freitag war toll, aber auch ein wenig schwere Kost. Romantisch, schön, liebevoll und doch ein bisschen traurig. Sie wirkt nach - in mir und vielleicht auch in euch ... Ich denke oft an dieses Paar und frage mich, was ihnen die Zukunft wohl noch bringen mag.

Nicht jede Liebesgeschichte hat ein Happy End, aber ich glaube, das Pärchen vom Bahnhof wird ihr Happy End finden. Da bin ich mir sehr sicher! 

Ach so ... falls ihr letzte Woche nicht gelesen habt, und nicht wisst, worüber ich spreche, könnt ihr gern noch mal nachlesen. ;-)

HIER geht es zur Geschichte über das unbekannte Paar am Bahnhof. Und wer weiß ... vielleicht gibt es irgendwann eine Fortsetzung zu den beiden ...

Aber nicht heute! ;-) 

Und nun? 

Okay, wie gesagt, ich wusste nicht, was ich schreiben sollte, ich wusste nur, etwas Leichtes musste mal wieder her. ;-) 

Wie wäre es denn mit ... Handarbeit. Das ist doch ein leichtes Thema, oder? Was ganz Entspanntes - und angeblich auch Entspannendes ... 

Wie ich darauf komme? Ich durfte diese Woche eine für mich völlig neue Erfahrung machen. Ich gebe zu, Handarbeit ist noch nie so wirklich mein Thema gewesen. Ich bin für Handarbeiten ungefähr so talentiert und habe daran ebenso viel Spaß wie ein Elefant am Eislaufen. ;-) 

Als ich klein war, hat meine Ma mir die Schallplatte vom "Trotzkopf" geschenkt. Ich habe die Geschichte um Ilse Macket geliebt! 
Mir war klar, warum ich die Platte bekommen habe und meiner Mutter war klar, dass ich es wusste. ;-) 

Noch heute erinnere ich mich an die bildhafte Beschreibung von Ilses Handarbeit. Na gut, das Bild dazu hatte ich in der Realität in meinem Zimmer liegen. 

Ein verknautsches Strickwerk voller Fehler, die Wolle schnuddelig von ungewaschenen Händen, die den ganzen Tag im Sand gebuddelt hatten und auf Bäume geklettert waren. 
Ich war ein Wildfang, wie Ronja Räubertochter - nur ohne Birk! ;-) -, ich hatte rötliche Haare, Sommersprossen und ein Gemüt wie Pippi Langstrumpf und ich war ein Trotzkopf - genau wie Ilse Macket. 

Die Ronja Räubertochter in mir ist ein bisschen gezähmt (nur ein bisschen, auf Bäume klettere ich immer noch gern, wenn ich darf. ;-) ), die Pippi Langstrumpf werde ich immer bleiben und den Trotzkopf ...den habe ich mittlerweile abgelegt. Meistens zumindest ... ;-)

Dennoch habe ich seit ca. 30 Jahren - seit meinen ersten Versuchen als Kind - kein Strickzeug mehr angefasst. 

Nee, ich und stricken? Geht gar nicht! Und das sehe nicht nur ich so ... Ich denke, jeder, der mich kennt, würde mich für verrückt erklären. Aber ... ;-)

Aber ... da ich mittlerweile gelernt habe, dass es manchmal nicht so schlecht ist, sich auf neue Wege zu begeben, habe ich mich in der vergangenen Woche auf ein weiteres neues Abenteuer eingelassen. 

Ich war tatsächlich in einem kleinen Wollädchen in Hamburg Wandsbek und habe mir reichlich Wolle und passende Stricknadeln besorgt. 

ICH! Oh jaaa! 

Wer mich kennt wird jetzt vermutlich ungläubig den Kopf schütteln und ernsthaft - das mache ich auch. Ich kann gar nicht fassen, dass ich tatsächlich dem "Strickwahn" verfallen bin. Aber in den letzten drei Tagen habe ich nebenbei einen wunderschönen und kuschligen Loop gezaubert. :-) 

Ich bin schon ein bisschen stolz auf mich. Was mich aber am meisten daran fasziniert ... es macht mir tatsächlich Spaß zu stricken! 
Das nächste Projekt wartet bereits darauf, angefangen zu werden. Und wenn ich ein bisschen mehr Übung habe, wage ich mich vielleicht mal an eine Mütze - oder nach 30 Jahren noch einmal an einen Pullover ... ;-) 

Okay, viel Gequatsche um nichts, werden nun sicher einige denken. Aber ... Nee! Ich will euch natürlich auch noch etwas mitgeben. ;-) 

Manchmal ist es gut, andere Wege zu gehen und sich einfach auf etwas einzulassen. Denn oftmals führt es unverhofft zu etwas Wunderschönem! 
Nur zu einem neuen Schal - oder zu einem völlig neuem Leben. 

Oder in einem Satz zusammengefasst: 


Mach den Menschen glücklich, mit dem du ein ganzes Leben zusammenbleiben musst. Dich selbst! 


Ich wünsche euch ein zauberschönes Wochenende voller unerkannter Wege und großartigen Erfahrungen.

Eure Juli