Freitag, 4. Mai 2018

Wo ist die Zwischenwelt?

Hey ihr Lieben! 

Erinnert ihr euch noch an das Pärchen vom Bahnhof? Die Kurzgeschichte über die "Zwischenwelt", die ich vor ein paar Wochen über die beiden geschrieben habe? (Wenn ihr sie verpasst habt - HIER könnte ich sie noch mal nachlesen. ;-) ) 

Die beiden lassen mir keine Ruhe und irgendwie würde ich nur zu gern wissen, wie es weitergeht. 
Ob sie auf dem Weg zu ihrem Happy End sind? Oder ob sie sich nie wiedersehen? Sind die beiden noch so verliebt wie an dem Tag auf dem Bahnhof? Oder hat einer von ihnen den anderen bereits vergessen? Ganz ehrlich, ich weiß es leider nicht. :-(

Tja, eigentlich wollte ich genau das herausfinden und für heute eine Fortsetzung der Geschichte schreiben. Aber leider ... an manchen Tagen schaffe ich es nicht, an romantische Gefühle auch nur zu denken. Vielleicht kommt der zweite Teil noch irgendwann. Mal schauen ... 

Stattdessen habe ich euch heute etwas anderes mitgebracht. ;-) 

Das erste Kapitel meines neuen Romans habe ich euch ja in zwei Etappen schon gezeigt und da ich demnächst (hoffentlich ...! ;-) ) mit Hochdruck daran weiterschreiben werde, bekommt ihr heute schon mal den nächsten Teil - den Anfang des zweiten Kapitels. :-) 

Wer zum Reinkommen noch einmal das erste Kapitel lesen möchte, bitte hier entlang ... ;-) *klick*

Das Copyright liegt natürlich bei mir und ansonsten gilt wie immer - wer Fehler findet, darf sie behalten. ;-) Das ist die Rohversion und wird vor erscheinen noch so sieben- bis achttausend Mal überarbeitet ... ;-) 

Ich wünsche euch viel Spaß! <3 

Eure Juli



2.

Völlig übermüdet saß ich im Besprechungsraum im Bürotrakt des Kaufhauses und starrte stumpf in meine Kaffeetasse. Immer wieder musste ich ein herzhaftes Gähnen unterdrücken, während die anderen Mitglieder der Führungsetage nach und nach eintrudelten und sich einen Platz am großen Tisch suchten.
„Darf ich?“ Ich schreckte zusammen, als mich eine unbekannte Stimme ansprach. Verwirrt sah ich zu dem Mann auf, der mich fragend musterte und auf den leeren Stuhl neben mir deutete. Erst jetzt begriff ich, was er meinte.
„Ähm ja, klar!“
„Zeller ist mein Name. Ich bin der Neue in der Personalabteilung“, stellte der Mann sich freundlich lächelnd vor, nachdem er sich gesetzt hatte.
„Freut mich, Flindt. Dann haben Sie sich ja quasi selbst eingestellt.“
Verwirrt musterte Herr Zeller mich, dann verstand er und schüttelte lachend den Kopf.
„Entschuldigung, das war wohl nicht einer der besten Scherze. Schieben Sie es auf meinen Koffeinmangel.“ Erneut unterdrückte ich ein Gähnen und nahm stattdessen einen Schluck von meinem Kaffee.
„Oje, das klingt nach einer harten Nacht! Mehr Kaffee?“ Mitfühlend musterte Herr Zeller mich und ich schob nickend meine Tasse zu ihm hinüber, als er nach der auf dem Tisch stehenden Thermoskanne griff.
Dankbar lächelte ich Herrn Zeller an, als die Stimme meiner Mutter durch den Raum klang.
„Schön, dass Sie alle pünktlich sind. Fangen wir an.“ Innerlich rollte ich mit den Augen, denn mir war klar, dass sie mich mit dem Kommentar über die Pünktlichkeit meinte.

Während meine Mutter ihre übliche Ansprache hielt, ließ ich meinen Blick auf ihr ruhen, als würde ich gebannt zuhören, doch meine Gedanken schweiften ab zur letzten Nacht. Nachdem ich gegen halb eins endlich die Präsentation fertig gehabt hatte und glücklich in meinem Bett lag, dauerte es keine drei Minuten und ich war tief und fest eingeschlafen. Leider nur kurz, denn dann beschloss Paula, dass es Zeit für ihre Milch war.
Normalerweise bereitete ich die Flasche abends vor dem Zubettgehen vor, sodass ich nachts nur noch das abgekochte Wasser aus der Thermoskanne hinzufügen musste, doch heute hatte ich es vergessen. Dementsprechend lange dauerte es, bis ich meine hungrige Tochter versorgen konnte. Als sie endlich wieder schlief, blieben mir noch ganze dreieinhalb Stunden, bis mein Wecker mich nötigte, mein warmes Bett zu verlassen, um erst mein Baby zur Tagesmutter zu bringen und dann selbst ins Büro zur Sitzung zu eilen.
„Frau Flindt, wenn Sie dann so freundlich wären, auch gedanklich wieder zu uns zu stoßen? Dann könnten wir mit Ihrer Präsentation für neue Werbemaßnahmen weitermachen. Oder spricht etwas dagegen?“
Ich spürte, wie mir die Hitze in die Wangen schoss, als meine Mutter mich mit hochgezogenen Augenbrauen vorwurfsvoll anschaute und vor der versammelten Führungsriege maßregelte. Natürlich hatte ich diesen Anschiss verdient, dennoch war es mir peinlich, und es wurde auch nicht besser, als ich Herrn Zeller neben mir glucksen hörte, als müsste er ein Lachen unterdrücken. Kurz funkelte ich ihn böse an, was er nur mit einem frechen Grinsen quittierte, dann griff ich nach meinen Unterlagen und ging nach vorn.

Kaum war die Besprechung beendet, sah ich zu, dass ich aus dem Raum kam. Ich mochte es nicht sonderlich, vor Leuten sprechen zu müssen, erstrecht nicht nach einer schlaflosen Nacht, wenn ich Augenringe hatte, wie ein Waschbär auf Drogen, und kaum einen geraden Satz herausbrachte. Dies jetzt war einer der Momente, in denen ich bereute, dass ich mit dem Rauchen aufgehört hatte. Wie gern würde ich mir jetzt ein paar Minuten Auszeit nehmen und den beruhigenden Rauch inhalieren. Einfach die Augen schließen, den Vögeln auf dem Hof hinter dem Kaufhaus lauschen, mein Gesicht in die warme Frühlingsonne halten und ein paar Minuten nichts tun. Warum hatte ich eigentlich aufgehört zu rauchen? Ich schob meine merkwürdigen Gedanken auf die Übermüdung und machte mich auf den Weg zu meinem Büro. Eigentlich war ich sehr froh darüber, dass ich es vor mittlerweile über zwei Jahren geschafft hatte, von den Glimmstengeln loszukommen.
„Frau Flindt?“
Die Hand schon auf der Türklinke drehte ich mich um, als jemand meinen Namen rief. Herr Zeller war es, der lächelnd auf mich zueilte.
„Ich wollte mich nur bei Ihnen entschuldigen. Es tut mir leid, dass ich vorhin so lachen musste, als Sie zusammengestaucht wurden. Ich wollte Sie damit nicht verletzen, aber Ihre Mutter …“ Er brach ab, als wäre er unsicher, was er mir gegenüber über meine Mutter sagen durfte. So war es bei den meisten Kollegen. Ich wusste, dass sie keine einfache Chefin war, dass sie extrem hohe Ansprüche stellte und wer nicht funktionierte, wurde eiskalt abgemahnt, doch niemand wagte es in meinem Beisein, ein schlechtes Wort über sie zu verlieren. Als wäre ich ihr Spion und würde alles sofort brühwarm an sie weitergeben. Niemand sah, dass die Ansprüche, die meine Mutter an mich stellte, deutlich höher waren, als die an den Rest der Belegschaft. Sie forderte einhundert Prozent Leistung vom Personal – von mir allerdings mindestens zweihundert. Da ich wusste, dass Herr Zeller nicht weiterreden würde, drehte ich mich wieder zu Tür.
„Warten Sie!“ Erneut hielt der neue Personalchef mich auf und legte mir die Hand auf den Unterarm, damit ich ihn anschaute. „Ich wollte Ihnen noch sagen, dass ich Ihre Ideen, das neue Marketingkonzept und die Umstellung der Kollektionen großartig finde. Ich meine, ich habe keine wirkliche Ahnung von Mode, ich kenne mich nur mit dem Personal aus, aber ein wenig altbacken ist die Kaufhauskette ja schon. Jedenfalls habe ich vor meiner Anstellung nie einen Fuß in einen der Läden gesetzt, weil ich immer das Gefühl hatte, die Klamotten wären eher für die Generation meiner Eltern. Oder Großeltern …“ Ein verschämtes Grinsen legte sich auf seine Lippen, als wäre ihm dieses Geständnis unangenehm. Doch ich wusste genau, was er meinte.
„Ja, so ist es. Und genau dafür bin ich da – um das zu ändern. Damit wir mehr jüngere Kundschaft ansprechen. Mode für betuchte, ältere Damen und Herren, die sich auch genauso gediegen kleiden möchten, gibt es in Hamburg mehr als genug. Was mir fehlt, ist die jüngere Generation, die ausgesuchte, qualitativ gute Kleidung wünscht, und nicht in einer der ganz großen Ketten Ware von der Stange kaufen möchte, sondern ein wenig exklusiver“, erklärte ich Herrn Zeller und er nickte.
„Das kann ich verstehen. Die Zeit wandelt sich und damit auch die Kundschaft. Wir müssen am Ball bleiben, bevor die Konkurrenz es macht.“
„Nicht Konkurrenz. Mitbewerber!“, korrigierte ich lachend und Herr Zeller stieg mit ein.
„Oh stimmt! Das klingt gleich viel netter“, bestätigte er grinsend. Wieder fiel mir dieses schalkhafte Funkeln in seinen Augen auf. Ich kannte ihn zwar erst seit heute Morgen, doch er schien sehr nett zu sein. Vielleicht ergab sich ja nun häufiger die Gelegenheit für ein kurzes Gespräch. Ich hatte nicht sonderlich oft die Gelegenheit, mich mit Erwachsenen zu unterhalten. Entweder ich war hier in der Firma, wo die Kollegen auf Abstand zu mir, der Tochter der Chefin, gingen, oder ich hatte mit meinem Baby mehr als genug zu tun. Einzig das wöchentliche Gespräch mit den Großeltern der väterlichen Seite meiner Tochter waren die Möglichkeit, mich einmal vernünftig auszutauschen.
„Vielleicht sehen wir uns die Tage ja mal in der Teeküche oder gehen in der Mittagspause einen Kaffee trinken. Dann könnten Sie mir noch ein bisschen mehr über das Modegeschäft erzählen“, schlug Herr Zeller vor, als hätte er meine Gedanken gelesen.
„Ja, sehr gern. Sie wissen ja, wo Sie mich finden.“ Ich deutete hinter mich auf das Schild neben der Tür zu meinem Büro, auf dem in schwarzen Lettern „Nele Flindt, Marketing“ stand. „Meine Bürotür steht Ihnen jederzeit offen. Ich würde mich freuen.“
„Dann bis bald. Ich freu mich auch!“ erwiderte Herr Zeller. Gerade als er sich abwandte, schallte ein Ruf quer über den Flur.
„Toby? Hör auf zu flirten und komm. Zeit für die Mittagspause.“
Die Antwort, die Herr Zeller dem Kollegen gab, bekam ich nicht mehr mit. Wie hinter einem Schleier versank die Welt um mich herum. Ein eisernes Band legte sich um meinen Brustkorb und nahm mir die Luft zum Atmen.