Donnerstag, 7. September 2017

Wie ich lernte zu laufen.

Hey, ihr Lieben! 

Seit Wochen habe ich die Finger von der Tastatur gelassen. Zumindest, was neue Geschichten angeht. Doch das hier ... Das wollte raus. ;-) 

Keine Ahnung, was daraus wird ... Vielleicht eine neue Geschichte. Vielleicht nur ein Blogeintrag. Vielleicht ein neuer Roman mit Ben. 
Ich weiß es nicht ... Aber ich möchte es euch zeigen. Frisch getippt - wer Fehler findet, darf sie behalten und das (c) liegt natürlich bei mir ... ;-) 

Habt einen tollen Abend und viel Spaß! <3 



Ich war ungefähr sieben Jahre, als ich das erste Mal die große alte Turnhalle betrat, um zum Ballettunterricht zu gehen.
Wenn ich sagen würde, dass ich mich an dieses erste Mal erinnere, würde ich lügen, denn diesem einen Mal folgten unzählige weitere und in meiner Erinnerung verschwimmen sie alle ineinander. Aber ich weiß, dass dieses Gefühl, dass ich beim ersten Betreten der Halle hatte, blieb. Diese Ehrfurcht, diese Aufregung, diese Sehnsucht, obwohl ich nicht einmal wusste, wonach.
Auch Jahre, Jahrzehnte später blieb es und ich weiß, es wird mich mein Leben lang begleiten. Diese alte Turnhalle veränderte mein Leben. In ihr lernte ich laufen. Nein, natürlich nicht wirklich laufen, so wie man es als Kleinkind lernt. Aber in ihr lernte ich, was für mich zum Laufen wurde.
Ich lernte zu tanzen.  
In dieser alten Turnhalle fing es an.
Noch immer nehme ich diesen ganz eigenen Duft wahr nach Holz, Schweiß, Farbe und dem Staub, der im Gemäuer und den offenen Dachbalken hing.
Ein ganz eigenes Gefühl durchströmte mich, wenn ich die schwere hölzerne Flügeltür aufschob. Ich sah die Schnitzereien längst vergangener Zeiten, übergestrichen in verschiedenen Grautönen. Lack, der durch die Jahre bröckelig geworden war, winzig kleine Wurmlöcher, Risse im trockenen Holz.
Wenn ich die Tür aufschob, atmete ich tief ein. Jedes Mal. Ich spürte, wie ich ankam.
Mein Blick fiel auf die Ballettstangen, die an der gegenüberliegenden Wand angebracht waren und eine merkwürdige Aufregung durchzog mich. Ich schaute hoch zu der unendlich weit entfernten Hallendecke, sah die dicken Balken des Fachwerks.
Später, als ich größer war, lernte ich, dass diese alte Turnhalle unter Denkmalschutz stand. Damals schon war sie weit über hundert Jahre alt. Ein Jahrhundert. Ein Jahrhundert, das seine Spuren hinterlassen und dem Gebäude einen ganz eigenen Charme gegeben hat.
Ich erinnere mich, wie stickig es in den Sommermonaten war. Wie kalt, wenn der Winterwind durch die Ritzen im Gemäuer zog.
Viele Stunden habe ich dort verbracht und getanzt. Schweiß lief in Strömen, während wir unsere Übungen an der Stange machten. Plié, Relevé, Grand battement jeté …
Ich war sieben Jahre alt, als ich meine erste Ballettstunde besuchte. Die ganzen französischen Begriffe klangen fremd in meinen Ohren – allerdings muss ich zu meiner Schande gestehen, dass ich auch nach Jahrzehnten des Balletts noch immer meine Probleme damit hatte. Es ist wohl einfach nicht meine Sprache. Aber die Sprache war mir immer unwichtig. Wichtig war nur der Tanz. Das Gefühl, mich komplett mit Leib und Seele der Musik hinzugeben.
Später kamen diverse andere Arten des Tanzes hinzu. Von Hip Hop bis Stepptanz, von Rock`n`Roll bis Walzer – ich habe alles ausprobiert. Und ich habe es geliebt! Ich wusste schnell, ohne das Tanzen kann ich nicht leben. Und mein Tanz lebt durch mich. Ja, ich merke selbst, wie melodramatisch das klingt, aber das ist es, wie ein Tänzer es empfindet. Tanzen ist kein Sport – Tanzen ist ein Gefühl.

Die ersten Ballettstunden verbrachte ich an einem Platz in der Mitte der Stange. Vor jeder Stunde stellte unser Ballettlehrer uns auf. Ein, aus meinen kindlichen Augen betrachtet, alter Mann, mit schlohweißen Haaren, der sich immer kerzengerade hielt. Schweigend schob er uns auf unsere Plätze. Schaute immer wieder nachdenklich die Reihe der Kinder entlang, ließ uns tauschen, bis wir alle zu seiner Zufriedenheit standen. Ich blieb an meinem Platz in der Mitte. Schnell begriff ich, warum das so war. Während der Übungen wechselt die Blickrichtung. Vorne wird zu hinten und hinten zu vorne. Er hat durch sein Verteilen der Plätze dafür gesorgt, Anfänger und Fortgeschrittene zu mischen, damit man im Notfall immer jemanden hatte, an dem man sich orientieren konnte. Schlau! Dennoch wollte auch ich einmal ganz vorn oder ganz hinten stehen dürfen.
Es dauerte nicht lange und ich wanderte an dieser Stange. Weg von der Mitte. Aus der Anfängerin, die ich einmal gewesen war, wurde eine Fortgeschrittene. Es war nicht so, dass ich besonders hart dafür trainierte, nein, wie der Zufall – oder meine Genetik – es so wollten, war ich einfach überdurchschnittlich beweglich. Ein nicht zu verachtender Vorteil im Ballett, obwohl es natürlich längst nicht alles bedeutete. Vielleicht hatte ich aber auch einfach ein wenig Talent.
Schnell wurde mir klar, was man als allererstes lernt. Es war kein Plié, keine Pirouette. Nein, es war etwas ganz anderes.
Disziplin.
Alles steht und fällt mit der Disziplin.
Es war egal, ob die Muskeln schmerzten, ob die Luft vor Anstrengung knapp wurde, es war egal, ob ich mir Blasen an den Füßen getanzt hatte. Ich lernte, den Schmerz zu ignorieren. Ihn zu kontrollieren und diese Kontrolle niemals aufzugeben.
Bis heute hallen die Worte meines Ballettlehrers in mein Ohr:

Solange du noch sagen kannst, du kannst nicht mehr, kannst du noch!

Ich weiß nicht, wie oft ich diese Worte im Laufe der Jahre hörte – es kann nicht allzu oft gewesen sein, denn nach ungefähr zwei oder drei Jahren ging mein Ballettlehrer in Rente und die Gruppe löste sich auf. Dennoch ist dieser Satz bis heute ganz tief in mir verankert.
In meinem Herzen.
In meiner Seele.

Solange du noch sagen kannst, du kannst nicht mehr, kannst du noch!

Und nun?

Nun stehe ich hier. Auf dem Fußweg gegenüber dieser alten Turnhalle. Mittlerweile existiert sie nicht mehr. Ein Feuer hat sie vor anderthalb Jahren dem Erdboden gleichgemacht. Nur der leere, vom Unkraut überwucherte Platz mit dem Bauzaun drum herum erinnert noch daran, dass hier, mitten in der Stadt einmal eine uralte Turnhalle gestanden hat. Doch das Gefühl ist noch immer dasselbe. Als wäre diese Halle noch dort, auf der anderen Straßenseite.
Die Halle, in der ich gelernt habe zu laufen.

Und ich?

Ich denke an die Worte meines Ballettlehrers, die mich so geprägt haben, und nach denen ich bis heute lebe.


Samstag, 19. August 2017

Ich bin ...

Freitag, den 12.05.2017

Es war in den frühen Morgenstunden, die Sonne versteckte sich noch hinter dem Horizont, als ein Klopfen an der Tür mich aus dem Schlaf riss. Müde rollte ich mich aus dem Bett und griff nach einem warmen Sweatshirt. Mir war klar, was dieses Klopfen zu bedeuten hatte. Auf dem Weg zur Tür schlüpfte ich in das Shirt, dann öffnete ich.
In der Dunkelheit erkannte ich eine junge Frau, die mich schweigend anschaute. Über der Schulter trug sie nur eine kleine Tasche.
„Komm rein!“, bat ich sie und schob die Tür einladend ein Stück weiter auf. Noch immer wortlos trat sie ein.
„Wie heißt du?“, fragte ich freundlich, während ich die Tür hinter ihr schloss. Sie lächelte mich an. „Sienna. Ich bin hier um …“ Sie brach ab und musterte mich kurz. „Nein, ich denke, du weißt, warum ich hier bin.“
Ich nickte. „Ja, das weiß ich. Komm mit, ich zeige dir dein Zimmer.“ Ich ging die Treppe hinauf bis ins Dachgeschoss und Sienna folgte mir.
Diese Art von Besuch war mir nicht unbekannt. Bereits seit meiner Kindheit kannte ich es nicht anders.
Sie kamen und sie bleiben. Eine gewisse Zeit. Dann verabschiedeten sie sich – doch niemals gingen sie ganz. Ein Stück von ihnen blieb in mir – und ein Stück von mir gab ich ihnen mit.

Ein wenig zögernd trat Sienna in das Zimmer unter dem Dach ein, schaute sich um, und ich tat es ihr gleich.
Auf den ersten Blick wirkte es trist und karg. Ein Bett, ein Schrank, ein Tisch, ein Stuhl. Keine Gardinen vor dem Fenster, kein Bild an der Wand, kein Teppich auf dem Holzboden. Doch ich wusste, es machte nichts. Sienna würde diesen Raum in den nächsten Wochen mit Leben füllen. So war es immer.
Und so würde es auch diesmal sein.
In den nächsten Wochen begleitete Sienna mich. Sie wich mit nicht von der Seite, egal, was ich tat. Wenn ich aß, saß sie auf dem freien Stuhl am Esstisch. Sie begleitete mich, wenn ich die Kinder zum Sport fuhr. Auf der Hunderunde mit der Wauz, ging sie neben mir. Auf der Abschlussfeier meines Sohnes war sie dabei. Ja, selbst wenn ich schlief, hockte sie auf dem Stuhl neben meinem Bett. Sogar als ich beim Zahnarzt war, hockte sie neben dem Behandlungsstuhl.
Wir redeten viel. 
Nein, Sienna redete. 
Ich schwieg, hörte zu, was sie mir zu erzählen hatte.

Manchmal weckte sie mich mitten in der Nacht oder ließ mich abends nicht einschlafen. 
Manchmal sprudelten die Worte nur so aus ihr heraus. Sie war nicht zu stoppen und sprach so schnell, dass ich kaum hinterher kam.
Manchmal schwieg sie aber auch, starrte stumm vor sich hin und ich musste ihr jedes Wort aus der Nase ziehen. 
Wir lachten zusammen, bis uns die Bäuche weh taten. Ich weinte mit ihr, als sie mich ihre tiefste Verzweiflung spüren ließ. Wir waren die besten Freundinnen, sie vertraute mir blind und zeigte sich mir ohne Mauern, ohne Maske. Jede Emotion, die sie beim Erzählen durchlebte, spürte ich ebenso stark.

Ab und zu ließ sie mich allein, doch es waren höchstens ein paar Stunden, in denen sie nicht an meiner Seite war. Dann kehrte sie zurück und erzählte weiter. Sie gab das Tempo vor und ich folgte. Ließ ihr den Raum und die Zeit, die sie brauchte.

Jedes Mal, wenn ich in das kleine Zimmer im Dachgeschoss kam, hatte es sich ein wenig verändert. Stück für Stück. Jeden Tag ein wenig mehr. Erst war es die bunte Bettwäsche und die Tagesdecke auf dem Bett. Am nächsten Tag hingen Gardinen vor den Fenstern. Dann stand ein großer Strauß selbst gepflückter Wildblumen auf dem kargen Tisch. Eine Tischdecke und ein kuschliger Läufer folgten, ebenso wie hübsche Kerzenständer und kleine Lampen, die den Raum in ein diffuses Licht tauchten.
Dieses Zimmer unter dem Dach wurde mit jedem Tag ein Stück mehr zu Siennas Zimmer. Es zeigte, wer sie war, was sie liebte und was sie brauchte. Es waren Kleinigkeiten und doch veränderte sich der Raum. Aus dem tristen Dachgeschoss wurde ein gemütliches Zuhause. Es gefiel mir, dass Sienna sich bei mir so wohlfühlte, doch es machte mich auch ein wenig traurig. Ich wusste, irgendwann würde unsere Zeit kommen. Unsere Zeit des Abschiednehmens.

Irgendwann an einem Tag Ende Juni war es soweit. In den letzten Tagen hatten wir fast ununterbrochen zusammengesessen. Ich wusste, wir gingen auf das Ende zu, während Sienna weiter erzählte. Wie ein Schatten hing dieses Wissen über uns. Ich war froh und glücklich, dass wir gemeinsam diesen Weg gegangen waren, dass wir diese Zeit zusammen gehabt hatten, doch ein kleiner, feiner Schmerz stahl sich zwischendurch auch in mein Herz. Es fiel mir schwer, sie loszulassen. Doch ich musste es. Es war soweit. Jetzt, wo ich alles wusste. Unsere Zeit war abgelaufen. Sienna hatte mir ihre Geschichte erzählt. Unser Ende war gekommen. Meine Freundin würde mich verlassen.


Nun ist das Zimmer unter dem Dach wieder verwaist. Die Blumen, die Gardinen, der Läufer, alles, was Sienna dem Raum im Laufe der Wochen gegeben hat, ist wieder verschwunden. 
Langsam gehe ich durch das Dachzimmer, nehme noch einen Hauch ihres Duftes wahr. Bald wird auch dieser Hauch verschwunden sein, ich weiß es. So ist es immer.
Aber ich weiß auch, irgendwann wird es wieder an meiner Tür klopfen. Eine junge Frau wird davor stehen, bereit, mir ihre Geschichte zu erzählen.
Sie wird bei mir einziehen und ein paar Wochen oder Monate bleiben. Sie wird mein Leben bereichern und ich werde mit ihr lachen und weinen. Sie wird meine Freundin werden.
Irgendwann wird auch sie mich wieder verlassen und auch von ihr wird ein Teil immer bei mir bleiben. Ich werde sie niemals vergessen, ich werde keine von ihnen jemals vergessen.

Wer ich bin, dass all diese Menschen zu Gast bei mir sind? Dass sie mir ihre Geschichten erzählen?

Ich bin niemand besonders. 
Ich bin nur eine Autorin.

 ~*~ 



Hat dir diese kleine Geschichte gefallen? 
Möchtest du nun lesen, was Sienna mir in den Wochen, in denen sie mich Tag und Nacht begleitete, alles erzählt hat? 

Dann schau doch mal hier: 


Sonntag, 18. Juni 2017

Schmetterlinge tanzen nicht für Millionäre

Hallo ihr Lieben! <3
Ich hab schon so lange keinen Blog mehr hiergelassen, dass ich ein ganz schlechtes Gewissen habe. ;-)
Es tut mir leid, dass ihr so lange auf mich warten musstet, doch ich arbeite mit Hochdruck an meinem nächsten Roman. :-D Er ist bereits zu 2/3 fertig und ich hoffe, dass ich ihn im August oder September veröffentlichen kann.

Heute habe ich euch eine kleine Leseprobe mitgebracht. Das erste Kapitel von "Schmetterlinge tanzen nicht für Millionäre".

Ich wünsche euch ganz viel Spaß beim Lesen! <3



Champagner

Verträumt lächelnd beobachte ich einen Schmetterling, der in dem kleinen Park, in dem ich meine Mittagspause verbringe, herumfliegt. Es ist ein Kohlweisling, das habe ich auf den ersten Blick erkannt. Zufrieden lehne ich mich gegen die Rückenlehne der Parkbank und lasse das Tierchen dabei nicht aus den Augen. Ich liebe es, Schmetterlinge zu beobachten, das war schon immer so. Ich erinnere mich an unzählige Sommertage, an denen ich im Garten meiner Eltern auf dem Rasen gelegen habe. Die verschiedensten Schmetterlingsarten tanzten durch unseren Garten und ich konnte mich gar nicht an ihrem Spiel sattsehen. Nicht selten kam es vor, dass sie sich direkt neben mir im Gras niederließen oder sogar auf meiner Hand landeten. Mit der Zeit habe ich gelernt, die verschiedenen Sorten zu unterscheiden. Während meine Freunde es nie schafften, einen Kohlweisling und einen Zitronenfalter auseinanderzuhalten, wunderte ich mich darüber, wie man die beiden verwechseln konnte. In meinen Augen sahen die zwei sich nicht mal im Ansatz ähnlich. Aber vielleicht war ich da einfach ein wenig anders als andere Kinder meines Alters. Mein Bruder hat immer gesagt, ich sei ein Schmetterlings-Nerd, und wahrscheinlich hatte er damit nicht ganz unrecht.
Damals war ich eine Träumerin, romantisch verklärt. Wenn ich nicht gerade Schmetterlinge beobachtete, verbrachte ich meine Zeit mit Lesen. Als Jugendliche habe ich Liebesromane verschlungen. Ich schaute mit einer rosaroten Brille auf die Ehe meiner Eltern und wünschte mir nichts sehnlicher, als irgendwann einmal eine solche Liebe zu finden. Auch wenn die zwei schon seit dreißig Jahren verheiratet sind, spürt man in jedem Blick, in jeder Geste, wie sehr sie sich noch immer lieben und dass sie alles für den anderen geben würden. Das war es, was ich als Kind wollte, diese unendliche Liebe. Mittlerweile sehe ich es anders, die Realität hat mich erwachsen und pragmatisch werden lassen. Die große Liebe ist nicht mehr das, wonach ich strebe, ich habe andere Ziele, die ich verwirklichen will. Aus dem kleinen verträumten Mädchen ist eine Frau geworden, die weiß, was sie im Leben erreichen möchte, und alles dafür gibt.
Das Einzige, was noch immer unverändert ist, ist, Schmetterlinge zu beobachten, in diesem Moment ein wenig zu träumen und die Realität auszublenden. Die Schmetterlinge sind es auch, die mir wohl am meisten fehlen, seit ich vor anderthalb Jahren von unserer Kleinstadt nach Hamburg gezogen bin. Hier gibt es nicht so viele wie auf dem Land. Umso mehr freue ich mich, wenn ich einen entdecke. Dieser Kohlweisling hier war der erste, den ich in diesem Frühjahr zu Gesicht bekommen habe, und ich hoffe, über den Sommer würden noch viele weitere folgen.
Der kleine Kohlweisling verschwindet aus meiner Sichtweite und seufzend schaue ich auf die Uhr. Meine Pause ist gleich vorbei, ich sollte mich allmählich auf den Weg machen. Zurück in mein Büro, wo auf meinem Schreibtisch mehr als genug Arbeit auf mich wartet. Schon bevor ich gegangen bin, lagen dort diverse Zettel und Notizen von meinem Chef, und wie ich ihn kenne, sind in der letzten Stunde noch einige weitere hinzugekommen.

„Ich versteh echt nicht, wie du das Zeug trinken kannst. Ich kriege das nicht mal runter, wenn ich krank bin!“ Die Stimme meiner Kollegin Cookie erklingt, als ich in der kleinen Küche des Büros gerade meinen Kamillentee aufgieße. Grinsend wende ich mich zu ihr um.
„Genauso geht es mir, wenn du dir diese schwarze Plörre einschenkst. Wie kann man nur Kaffee trinken?“ Gespielt angeekelt schüttele ich mich und werfe einen Blick auf den Becher in ihrer Hand, aus dem der leicht bittere Geruch von Kaffee aufsteigt. Nie im Leben würde ich das Zeug hinunterbekommen, das Cookie und so ziemlich der komplette Kollegenkreis literweise jeden Tag in sich hineinkippen. Aber über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten.
So unterschiedlich wie unser Getränkegeschmack sind Cookie und ich auch in vielen anderen Dingen. Allein optisch ist sie schon genau das Gegenteil von mir. Kurze, etwas strubblige, rote Haare, wenn überhaupt, dann nur dezent geschminkt, und ihre Klamotten wirken immer ein wenig spießig. Mir hingegen ist mein Äußeres sehr wichtig. Das muss es auch sein, wenn ich meinen Plan verwirklichen möchte. Als graues Mäuschen habe ich keine Chance, zu erreichen, was ich erreichen möchte. Das einzig Außergewöhnliche an Cookie ist ihr Spitzname. Eigentlich heißt sie Tanja, doch so nennt sie wirklich niemand, nicht einmal der Chef. Bereits als Kind wurde sie so genannt. Sie hat mir mal erzählt, dass das Wort Cookie das Erste war, was sie als Kleinkind gesprochen hat. Ihre amerikanische Großmutter hatte immer einen Porzellantopf mit Schokocookies im Wohnzimmer stehen, und kaum dass sie herausgefunden hatte, was da drin war, hat sie nach diesen Keksen verlangt. Mittlerweile hat sie das Rezept dafür von ihrer Oma geerbt und backt sie selbst. Ein Vorrat der Kekse ist immer in ihrer Schreibtischschublade zu finden. Ich liebe diese Schokocookies ebenso wie sie. Obwohl wir sonst so verschieden sind, bei Keksen haben wir denselben Geschmack. Doch trotz all unserer Unterschiede ist Cookie nicht nur meine Kollegin, sondern auch meine beste Freundin geworden. Sie ist einfach eine Seele von Mensch und hat immer ein offenes Ohr für andere. Aber nicht nur das liebe ich an ihr, nein, auch wenn ihr Äußeres eher spießig wirkt, habe ich selten einen so humorvollen, lebensfrohen Menschen erlebt wie sie.
Als ich hier ankam und den ersten Tag in meinem neuen Job in dieser Bank hatte, war sie es, die mich sofort unter ihre Fittiche genommen hat. Oder, wie ich es augenzwinkernd gern nenne, Cookie hat mich adoptiert.
„War irgendwas Dringendes, als ich weg war?“, frage ich Cookie und befreie meinen Teebeutel aus seinem heißen Wasserbad.
„Nur ein paar typische cholerische Anfälle vom Sahrmann. Er hat die Angebote für Herrn Karlsen gesucht. Der kommt ja gleich zum Beratungsgespräch.“
„Für Herrn Karlsen? Die hab ich ihm doch schon heute Morgen auf den Schreibtisch gelegt. Hat er sie wieder untergebuddelt oder wie?“ Kopfschüttelnd verlasse ich die Küche und mache mich auf den Weg zu meinem Platz. Dort angekommen stelle ich den Teebecher ab und drehe mich dann zu Cookie um, die mir gefolgt ist.
„Meinst du, er hat sie mittlerweile gefunden? Oder soll ich ihm suchen helfen?“ Grinsend mustere ich meine Freundin, die entspannt hinter ihrem Schreibtisch Platz nimmt und einen Schluck ihres Kaffees trinkt, bevor sie mir ebenso grinsend antwortet.
„Du kennst ihn doch! Ohne dich ist er aufgeschmissen.“
Als hätte mein Chef auf sein Stichwort gewartet, geht in diesem Moment die Tür zu seinem Büro auf. Mit hochrotem Kopf und leicht schnaufend kommt Herr Sahrmann heraus, die Stirn in Falten gelegt und sichtlich verzweifelt. Erst als er mich erblickt, entspannt sich seine Mimik.
„Ah, Frau Floris, da sind Sie ja endlich wieder. Sie haben mir die Unterlagen für Herrn Karlsen nicht gegeben und er müsste jeden Moment hier sein. Also, sofort auf meinen Schreibtisch damit!“, befiehlt er.
Ich muss ein Schmunzeln unterdrücken. So ist mein Chef. Er kann seine Sachen nicht finden, und dann war ich es, die sie ihm nicht gegeben hat. Zum Glück kenne ich ihn mittlerweile gut genug, um das nicht mehr persönlich zu nehmen. Am Anfang bin ich jedes Mal panisch geworden, wenn er mich so angeherrscht hat, doch jetzt bleibe ich ruhig. Entspannt lächele ich ihn an.
„Herr Sahrmann, die Angebote liegen bereits seit heute Morgen auf Ihrem Tisch. Lassen Sie mich mal machen.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, gehe ich an ihm vorbei in sein Büro. Wie vermutet, Herr Sahrmann hat ein paar Ausdrucke, die er in der Zwischenzeit gemacht hat, auf die Unterlagen gelegt. Mit einem einzigen zielsicheren Griff ziehe ich sie unter dem Stapel hervor, drehe mich zu ihm um und drücke sie ihm in die Hand.
„Hier sind sie doch“, sage ich freundlich.
Mit zusammengezogenen Augenbrauen starrt mein Chef auf die Papiere in seiner Hand. „Aber eben waren sie …“, murmelt er und schüttelt leicht den Kopf, als könnte er das Ganze nicht verstehen.
„Noch einen Kaffee, Herr Sahrmann?“, biete ich an und er schaut auf.
„Ähm, ja, bereiten Sie doch bitte ein Tablett vor und stellen Sie es mir schon her. Danke, Frau Floris, ich weiß nicht, was ich ohne Sie machen würde!“
„Das weiß ich auch nicht“, murmele ich leise, als ich das Büro verlasse und die Tür hinter mir schließe.

„Na, wo waren die Unterlagen?“, fragt Cookie lachend und lehnt sich auf ihrem Schreibtischstuhl zurück.
„Wo wohl? Da, wo ich sie ihm heute früh hingelegt habe. Er hat nur diversen anderen Kram draufgepackt und sie dann in seinem Chaos nicht wiedergefunden“, erkläre ich und nehme im Stehen neben meinem Tisch einen Schluck von meinem Kamillentee. Ich habe nicht die Zeit, mich hinzusetzen, immerhin soll ich ein Tablett für Herrn Sahrmann und seinen Kunden vorbereiten.
„Ohne dich wäre er echt aufgeschmissen. Du bist nicht nur seine Sekretärin, du bist sein Gehirn! Wie kann jemand wie er nur einen solchen Posten hier bekleiden?“ Ungläubig schüttelt Cookie den Kopf und ich zucke mit den Schultern. 
„Na ja, immerhin hat er mit Abstand die höchsten Verkaufszahlen. Und nur das ist es doch, was für den Vorstand zählt. Und dafür, sein Chaos zu sortieren, hat er ja mich.“
„Ja, das stimmt. Also mich dürftest du nicht zu seiner Sekretärin machen. Ich würde durchdrehen bei dem Typen! Echt jetzt, deine Arbeit ist hier nicht mit Gold aufzuwiegen, das merke ich jedes Mal, wenn ich deine Urlaubsvertretung machen muss. Da würde ich am liebsten schon nach zwei Tagen hinschmeißen.“

Lachend wende ich mich ab und gehe in die Küche. Wenn ich es richtig im Kopf habe, ist der Termin von Herrn Karlsen heute um 14:30 Uhr, das heißt, ich habe noch 15 Minuten. 




Hat euch die Leseprobe gefallen? ;-) Dann dürft ihr gern hier zuschlagen: https://www.amazon.de/dp/B06XF6H1P5

Im Moment noch für nur 0,99€! ;-)



Ich wünsche euch einen entspannten Sonntag und hoffe, ich finde bald wieder häufiger die Zeit, mich hier zu Wort zu melden! ;-)


Samstag, 8. April 2017

Cheesecake-Brownies

Guten Morgen ihr Lieben!
Da mich gestern nach meinem Posting bei FB soooo viele von euch nach dem Rezept für meine Cheesecake-Brownies gefragt haben, dachte ich, ich mache einen Blog daraus. ;)




Okay, ich warne euch gleich, sie machen süchtig und haben ungefähr geschätzte 28.563 Kalorien pro Stück! ;-)
Nein, Spaß! Ich kann doch keine Kalorien ausrechnen - außerdem sind die bei solcher Verführung eh egal, finde ich. ;-)

Okay, genug geredet ... Hier ist das Rezept für euch:

Zutaten:

Für den Teig:
75 g            Halbbitterschokolade
120 g          Butter
150 g          Mehl
50 g            Kakao
1 gestr. TL  Backpulver
¼ TL           Salz
150 g          brauner Zucker   
75 g            Zucker
150 ml        Buttermilch        
2                 Eier
1 TL            Vanilleextrakt

Für die Füllung:
500 g          Frischkäse (Doppelrahmstufe)
200 g          Zucker
2                 Eier
1 TL            Vanilleextrakt



Zubereitung:
- Als erstes fettest du eine rechteckige Form von ca. 25 x 30 cm gut ein. (Ich nehme eine einfache Auflaufform dafür)
- Dann heizt du schon mal den Ofen auf 175°C (Umluft) vor.
- Als nächstes hackst du die Schokolade ein bisschen klein und schmilzt sie zusammen mit der Butter – entweder im heißen Wasserbad oder in der Mikrowelle.
- In einer Schüssel werden nun Mehl, Kakao, Backpulver und das Salz vermischt. Dann stellst du die Schüssel erst einmal beiseite.
- In einer weiteren Schüssel verrührst du die Eier mit der Buttermilch, dem braunen Zucker, dem Zucker und dem Vanilleextrakt. Vorsichtig, nicht zu lange rühren, nur bis es gut vermengt ist.
- Jetzt rührst du erst einmal nach und nach die Mehlmischung ein, dann kommt die geschmolzene Butter-Schokoladenmasse dazu.
- Damit ist der Teig fertig und darf zu ca. ¾ in die Auflaufform – musst du nicht genau abmessen, nur so ungefähr. Das letzte Viertel des Teigs stellst du erst mal beiseite.  

Nun machst du dich an die Füllung:
- Hierfür werden Frischkäse, Zucker und Vanilleextrakt verrührt. Wieder nicht zu lang, nur bis alles vermengt ist. Dann kommen die Eier dazu – einmal unterrühren bitte.
- Diese Füllung kommt dann auf den Brownieteig.
- Jetzt kommt das letzte Viertel des Teigs – einfach in Klecksen auf die Füllung.
- Und damit das Ganze ein bisschen hübsch wird, greifst du dir jetzt eine Gabel und ziehst sie kreuz und wuer durch die Teigkleckse und die Fülllung. So entsteht eine schöne Marmorierung.

Dein Backofen müsste mittlerweile heiß sein, denn bis hier dauert es ungefähr 20 Minuten.

Also ab in den Ofen mit der Form und ca. 35 – 40 Minuten backen. Ob die Cheesecake-Brownies fertig sind, testest du am besten, indem du mit einem Holzstäbchen hineinpiekst – wenn kein Teig dran kleben bleibt, Ofen aus – dann sind die Cheesecake-Brownies fertig! 


Ich wünsche dir ganz viel Spaß beim Backen und guten Appetit! :-) 

Dienstag, 28. Februar 2017

Schmetterlinge tanzen nicht für Millionäre

Guten Morgen ihr Lieben! :)

Ich wünsche euch viel Spaß mit dieser Leseprobe. Dem Anfang meines neuen Romans "Schmetterlinge tanzen nicht für Millionäre".

Wenn es euch gefällt ... Am Sonntag gehts los - dann erscheint das E-Book bei Amazon. ;)

Alles Liebe
Eure
Kerry

Champagner

Verträumt lächelnd beobachte ich einen Schmetterling, der in dem kleinen Park, in dem ich meine Mittagspause verbringe, herumfliegt. Es ist ein Kohlweisling, das habe ich auf den ersten Blick erkannt. Zufrieden lehne ich mich gegen die Rückenlehne der Parkbank und lasse das Tierchen dabei nicht aus den Augen. Ich liebe es, Schmetterlinge zu beobachten, das war schon immer so. Ich erinnere mich an unzählige Sommertage, an denen ich im Garten meiner Eltern auf dem Rasen gelegen habe. Die verschiedensten Schmetterlingsarten tanzten durch unseren Garten und ich konnte mich gar nicht an ihrem Spiel sattsehen. Nicht selten kam es vor, dass sie sich direkt neben mir im Gras niederließen oder sogar auf meiner Hand landeten. Mit der Zeit habe ich gelernt, die verschiedenen Sorten zu unterscheiden. Während meine Freunde es nie schafften, einen Kohlweisling und einen Zitronenfalter auseinanderzuhalten, wunderte ich mich darüber, wie man die beiden verwechseln konnte. In meinen Augen sahen die zwei sich nicht mal im Ansatz ähnlich. Aber vielleicht war ich da einfach ein wenig anders als andere Kinder meines Alters. Mein Bruder hat immer gesagt, ich sei ein Schmetterlings-Nerd, und wahrscheinlich hatte er damit nicht ganz unrecht.
Damals war ich eine Träumerin, romantisch verklärt. Wenn ich nicht gerade Schmetterlinge beobachtete, verbrachte ich meine Zeit mit Lesen. Als Jugendliche habe ich Liebesromane verschlungen. Ich schaute mit einer rosaroten Brille auf die Ehe meiner Eltern und wünschte mir nichts sehnlicher, als irgendwann einmal eine solche Liebe zu finden. Auch wenn die zwei schon seit dreißig Jahren verheiratet sind, spürt man in jedem Blick, in jeder Geste, wie sehr sie sich noch immer lieben und dass sie alles für den anderen geben würden. Das war es, was ich als Kind wollte, diese unendliche Liebe. Mittlerweile sehe ich es anders, die Realität hat mich erwachsen und pragmatisch werden lassen. Die große Liebe ist nicht mehr das, wonach ich strebe, ich habe andere Ziele, die ich verwirklichen will. Aus dem kleinen verträumten Mädchen ist eine Frau geworden, die weiß, was sie im Leben erreichen möchte, und alles dafür gibt.
Das Einzige, was noch immer unverändert ist, ist, Schmetterlinge zu beobachten, in diesem Moment ein wenig zu träumen und die Realität auszublenden. Die Schmetterlinge sind es auch, die mir wohl am meisten fehlen, seit ich vor anderthalb Jahren von unserer Kleinstadt nach Hamburg gezogen bin. Hier gibt es nicht so viele wie auf dem Land. Umso mehr freue ich mich, wenn ich einen entdecke. Dieser Kohlweisling hier war der erste, den ich in diesem Frühjahr zu Gesicht bekommen habe, und ich hoffe, über den Sommer würden noch viele weitere folgen.
Der kleine Kohlweisling verschwindet aus meiner Sichtweite und seufzend schaue ich auf die Uhr. Meine Pause ist gleich vorbei, ich sollte mich allmählich auf den Weg machen. Zurück in mein Büro, wo auf meinem Schreibtisch mehr als genug Arbeit auf mich wartet. Schon bevor ich gegangen bin, lagen dort diverse Zettel und Notizen von meinem Chef, und wie ich ihn kenne, sind in der letzten Stunde noch einige weitere hinzugekommen.

„Ich versteh echt nicht, wie du das Zeug trinken kannst. Ich kriege das nicht mal runter, wenn ich krank bin!“ Die Stimme meiner Kollegin Cookie erklingt, als ich in der kleinen Küche des Büros gerade meinen Kamillentee aufgieße. Grinsend wende ich mich zu ihr um.
„Genauso geht es mir, wenn du dir diese schwarze Plörre einschenkst. Wie kann man nur Kaffee trinken?“ Gespielt angeekelt schüttele ich mich und werfe einen Blick auf den Becher in ihrer Hand, aus dem der leicht bittere Geruch von Kaffee aufsteigt. Nie im Leben würde ich das Zeug hinunterbekommen, das Cookie und so ziemlich der komplette Kollegenkreis literweise jeden Tag in sich hineinkippen. Aber über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten.
So unterschiedlich wie unser Getränkegeschmack sind Cookie und ich auch in vielen anderen Dingen. Allein optisch ist sie schon genau das Gegenteil von mir. Kurze, etwas strubblige, rote Haare, wenn überhaupt, dann nur dezent geschminkt, und ihre Klamotten wirken immer ein wenig spießig. Mir hingegen ist mein Äußeres sehr wichtig. Das muss es auch sein, wenn ich meinen Plan verwirklichen möchte. Als graues Mäuschen habe ich keine Chance, zu erreichen, was ich erreichen möchte. Das einzig Außergewöhnliche an Cookie ist ihr Spitzname. Eigentlich heißt sie Tanja, doch so nennt sie wirklich niemand, nicht einmal der Chef. Bereits als Kind wurde sie so genannt. Sie hat mir mal erzählt, dass das Wort Cookie das Erste war, was sie als Kleinkind gesprochen hat. Ihre amerikanische Großmutter hatte immer einen Porzellantopf mit Schokocookies im Wohnzimmer stehen, und kaum dass sie herausgefunden hatte, was da drin war, hat sie nach diesen Keksen verlangt. Mittlerweile hat sie das Rezept dafür von ihrer Oma geerbt und backt sie selbst. Ein Vorrat der Kekse ist immer in ihrer Schreibtischschublade zu finden. Ich liebe diese Schokocookies ebenso wie sie. Obwohl wir sonst so verschieden sind, bei Keksen haben wir denselben Geschmack. Doch trotz all unserer Unterschiede ist Cookie nicht nur meine Kollegin, sondern auch meine beste Freundin geworden. Sie ist einfach eine Seele von Mensch und hat immer ein offenes Ohr für andere. Aber nicht nur das liebe ich an ihr, nein, auch wenn ihr Äußeres eher spießig wirkt, habe ich selten einen so humorvollen, lebensfrohen Menschen erlebt wie sie.
Als ich hier ankam und den ersten Tag in meinem neuen Job in dieser Bank hatte, war sie es, die mich sofort unter ihre Fittiche genommen hat. Oder, wie ich es augenzwinkernd gern nenne, Cookie hat mich adoptiert.
„War irgendwas Dringendes, als ich weg war?“, frage ich Cookie und befreie meinen Teebeutel aus seinem heißen Wasserbad.
„Nur ein paar typische cholerische Anfälle vom Sahrmann. Er hat die Angebote für Herrn Karlsen gesucht. Der kommt ja gleich zum Beratungsgespräch.“
„Für Herrn Karlsen? Die hab ich ihm doch schon heute Morgen auf den Schreibtisch gelegt. Hat er sie wieder untergebuddelt oder wie?“ Kopfschüttelnd verlasse ich die Küche und mache mich auf den Weg zu meinem Platz. Dort angekommen stelle ich den Teebecher ab und drehe mich dann zu Cookie um, die mir gefolgt ist.
„Meinst du, er hat sie mittlerweile gefunden? Oder soll ich ihm suchen helfen?“ Grinsend mustere ich meine Freundin, die entspannt hinter ihrem Schreibtisch Platz nimmt und einen Schluck ihres Kaffees trinkt, bevor sie mir ebenso grinsend antwortet.
„Du kennst ihn doch! Ohne dich ist er aufgeschmissen.“
Als hätte mein Chef auf sein Stichwort gewartet, geht in diesem Moment die Tür zu seinem Büro auf. Mit hochrotem Kopf und leicht schnaufend kommt Herr Sahrmann heraus, die Stirn in Falten gelegt und sichtlich verzweifelt. Erst als er mich erblickt, entspannt sich seine Mimik.
„Ah, Frau Floris, da sind Sie ja endlich wieder. Sie haben mir die Unterlagen für Herrn Karlsen nicht gegeben und er müsste jeden Moment hier sein. Also, sofort auf meinen Schreibtisch damit!“, befiehlt er.
Ich muss ein Schmunzeln unterdrücken. So ist mein Chef. Er kann seine Sachen nicht finden, und dann war ich es, die sie ihm nicht gegeben hat. Zum Glück kenne ich ihn mittlerweile gut genug, um das nicht mehr persönlich zu nehmen. Am Anfang bin ich jedes Mal panisch geworden, wenn er mich so angeherrscht hat, doch jetzt bleibe ich ruhig. Entspannt lächele ich ihn an.
„Herr Sahrmann, die Angebote liegen bereits seit heute Morgen auf Ihrem Tisch. Lassen Sie mich mal machen.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, gehe ich an ihm vorbei in sein Büro. Wie vermutet, Herr Sahrmann hat ein paar Ausdrucke, die er in der Zwischenzeit gemacht hat, auf die Unterlagen gelegt. Mit einem einzigen zielsicheren Griff ziehe ich sie unter dem Stapel hervor, drehe mich zu ihm um und drücke sie ihm in die Hand.
„Hier sind sie doch“, sage ich freundlich.
Mit zusammengezogenen Augenbrauen starrt mein Chef auf die Papiere in seiner Hand. „Aber eben waren sie …“, murmelt er und schüttelt leicht den Kopf, als könnte er das Ganze nicht verstehen.
„Noch einen Kaffee, Herr Sahrmann?“, biete ich an und er schaut auf.
„Ähm, ja, bereiten Sie doch bitte ein Tablett vor und stellen Sie es mir schon her. Danke, Frau Floris, ich weiß nicht, was ich ohne Sie machen würde!“
„Das weiß ich auch nicht“, murmele ich leise, als ich das Büro verlasse und die Tür hinter mir schließe.

„Na, wo waren die Unterlagen?“, fragt Cookie lachend und lehnt sich auf ihrem Schreibtischstuhl zurück.
„Wo wohl? Da, wo ich sie ihm heute früh hingelegt habe. Er hat nur diversen anderen Kram draufgepackt und sie dann in seinem Chaos nicht wiedergefunden“, erkläre ich und nehme im Stehen neben meinem Tisch einen Schluck von meinem Kamillentee. Ich habe nicht die Zeit, mich hinzusetzen, immerhin soll ich ein Tablett für Herrn Sahrmann und seinen Kunden vorbereiten.
„Ohne dich wäre er echt aufgeschmissen. Du bist nicht nur seine Sekretärin, du bist sein Gehirn! Wie kann jemand wie er nur einen solchen Posten hier bekleiden?“ Ungläubig schüttelt Cookie den Kopf und ich zucke mit den Schultern.
„Na ja, immerhin hat er mit Abstand die höchsten Verkaufszahlen. Und nur das ist es doch, was für den Vorstand zählt. Und dafür, sein Chaos zu sortieren, hat er ja mich.“
„Ja, das stimmt. Also mich dürftest du nicht zu seiner Sekretärin machen. Ich würde durchdrehen bei dem Typen! Echt jetzt, deine Arbeit ist hier nicht mit Gold aufzuwiegen, das merke ich jedes Mal, wenn ich deine Urlaubsvertretung machen muss. Da würde ich am liebsten schon nach zwei Tagen hinschmeißen.“
Lachend wende ich mich ab und gehe in die Küche. Wenn ich es richtig im Kopf habe, ist der Termin von Herrn Karlsen heute um 14:30 Uhr, das heißt, ich habe noch 15 Minuten. 



Samstag, 28. Januar 2017

Vielen Dank :-) (Nähkästchenplauderei)

Flausen im Kopf
… scheinen viele zu haben.
Zumindest viele zu interessieren, da ihr uns tatsächlich sprachlos gemacht habt.
Unser neues Buch ist so toll gestartet und genau dafür, möchten wir uns jetzt bereits bei euch bedanken.



Auch die vielen wundervollen Kommentare zu unserem Cover haben uns überwältigt und wir werden sie selbstverständlich an unsere Cover-Fee weiterleiten.

Doch jetzt wollen wir euch gar nicht weiter mit unseren Gefühlen nerven. ;-)
Nein, jetzt geht es zu einer Leseprobe:
Wolfseye
Selbst jetzt, zwei Stunden nach unserer unschönen Begegnung im Wald, dachte ich über die Worte nach, die mir dieser Wolf an den Kopf geknallt hatte.
„Du dusselige Großstadtkuh hast mir mein Foto versaut.“ Was bitte wollte er mir damit denn sagen? Ich konnte ja wohl kaum etwas dafür, dass er seine blöde Kamera mit diesem Angeber-Objektiv nicht rechtzeitig hochgenommen hatte. Er konnte mir auch nicht die Schuld dafür geben, dass der Eisvogel so schnell wieder verschwunden war. Es war halt so bei Wildtieren, man musste einfach Glück haben, wenn man sie fotografieren wollte – und ich hatte dieses Glück gehabt.
Ich saß in meiner Wohnung am Küchentisch und hatte meinen Laptop aufgeklappt vor mir stehen. Das Bild vom Handy hatte ich längst übertragen. Es war – für eine einfache Handyaufnahme – wirklich toll geworden. Ein Sonnenstrahl hatte das Gefieder des Vogels getroffen und ließ ihn dadurch wunderschön schillern. Ich öffnete meinen Internetbrowser und ging auf eine Foto-Bestellseite. Dort lud ich das Bild hoch und orderte gleich zwei Abzüge in größerem Format. Das eine wollte ich mir selbst hinstellen und das andere war für meinen Vater gedacht. Nicht nur, damit er meinen Beweis, dass es hier durchaus Eisvögel gab, vor Augen hatte. Nein, ich wusste, er mochte Tier- und Landschaftsfotografien. Das war wohl auch der Grund für die Schwarz-Weiß-Fotos, die in seiner Kneipe hingen.
Auf einmal fiel mir ein, wo ich diesen Flusslauf bereits gesehen hatte. Er war auf einem der Bilder in der Kneipe. Innerlich schlug ich mir vor den Kopf für meine Dummheit. Dass ich das nicht auf den ersten Blick erkannt hatte! Wieder nahm ich mir vor, meinen Vater zu fragen, wer die Fotos gemacht hatte.
Nachdem ich die Bestellung abgesendet hatte, öffnete ich mein E-Mail-Account. Nicht nur die Bestellbestätigung war bereits eingetroffen, ich hatte auch eine Mail der Textagentur, die mir zwei neue Aufträge anbot.
Ein Möbelhersteller wollte seine Website modernisieren und brauchte dazu passende Beschreibungen der Möbel. Okay, das war jetzt nicht die interessanteste Arbeit, aber immerhin wurden solche Aufträge recht gut bezahlt.
Der zweite Auftrag war da schon spannender. Ich sollte einen Text für einen Reiseführer über Hamburg verfassen. Meine Aufgabe war es, die geschichtliche Entwicklung der Speicherstadt zusammenzufassen. Solche Aufgaben liebte ich. Auch wenn sie immer viel Recherche erforderten, machte es mir auch unheimlich viel Spaß.
In der vorgegebenen Zeit würde ich beide Aufträge schaffen, daher nahm ich sie an. Während ich für den Möbelhersteller noch auf weitere Informationen warten musste, konnte ich mit der Beschreibung der Speicherstadt gleich morgen früh loslegen.

Nachdem ich den Laptop heruntergefahren hatte, machte ich mich auf den Weg zu meinem Vater in die Kneipe. Ich wollte ihm wieder ein wenig zur Hand gehen und außerdem war mir gerade nach Gesellschaft.
Als ich im Lokal ankam, waren nur drei Gäste anwesend.
„Das ist ja so leer hier“, sagte ich zu meinem Vater, nachdem ich ihn begrüßt hatte.
„Ja, es ist Montag. Montags ist es immer leer“, antwortete er und räumte ein paar Gläser ins Regal. „Wie war dein Tag?“
Strahlend zog ich mein Handy aus der hinteren Tasche meiner Shorts.
„Großartig! Ich habe hier was für dich.“ Ich wollte nicht warten, bis das Foto entwickelt war, viel zu aufgeregt war ich über das Bild des Eisvogels. Schnell entsperrte ich den Bildschirm, suchte das Foto heraus und hielt es meinem Vater unter die Nase.
Erst runzelte er kurz die Stirn, als könnte er nicht glauben, was er sah, doch dann strahlte er ebenso wie ich.
„Das gibt’s ja gar nicht. Du hast tatsächlich einen Eisvogel gesehen!“ Er gab mir das Handy zurück und nahm mich fest in die Arme. „Und das Bild ist so toll geworden! Da hattest du ja tatsächlich einen großartigen Tag, das freut mich sehr. Tut mir leid, dass ich dir nicht geglaubt habe!“
„Ja, mein Tag war wirklich toll! Bis auf einen kleinen Zusammenstoß mit diesem merkwürdigen Wolf“, antwortete ich und mein Vater schaute mich fragend an. In diesem Moment ging die Tür auf und ein neuer Gast traf ein. Nein, genau genommen war es kein neuer Gast, es war Wolf, der durch die Tür trat.
„Na super! Haben dem die Ohren geklingelt?“, murmelte ich so leise, dass nicht mal mein Vater mich verstanden haben konnte. Dann wandte ich mich ab, schnappte mir einen Lappen und fing an, die Tische abzuwischen. Ich hatte keine Lust, ihn auch nur anzusehen, geschweige denn, ihn zu bedienen. Dennoch kam ich nicht umher, zu hören, wie mein Vater mit ihm sprach.
„Na, Wolf. Bierchen?“
Ich wusste nicht, ob Wolf in irgendeiner Form auf die Frage reagierte, jedenfalls sprach er nicht. Aber gut, das war ja nichts Neues.
„Ich hab auch noch Gulasch da.“ Wieder war keine verbale Reaktion zu vernehmen.
Da ich mittlerweile mit den Tischen fertig war, blieb mir nichts anderes übrig, als mich wieder dem Tresen zuzuwenden und somit genau in Wolfs Richtung zu schauen. Wieder saß er am selben Tisch wie gestern bereits. Anscheinend war es sein Stammplatz. Doch diesmal stierte er nicht auf die Tischplatte vor sich. Als ich mich umdrehte, schaute er mich direkt an. Es war ein Blick, den ich nicht einordnen konnte. Irgendwie wirkte er noch immer so wütend wie im Wald vorhin und doch strahlte er noch etwas aus. Diese Aura, die ich neulich schon gespürt hatte. Etwas Düsteres, Abgründiges. Ich blinzelte ein wenig erschreckt, damit hatte ich nicht gerechnet. Schnell wandte ich meinen Blick von ihm ab und verschwand hinter dem Tresen.
Den ganzen Abend über versuchte ich, den Mann an dem kleinen Tisch in der Ecke zu ignorieren. Mein Vater war es, der ihm das Gulasch brachte und den leeren Teller irgendwann wieder abräumte. Als er endlich sein Bier ausgetrunken hatte und das Lokal verließ, atmete ich auf. Was auch immer dieser Mann an sich hatte, er faszinierte mich auf eine mir völlig unbekannte Art und Weise. Gleichzeitig machte er mir aber auch ein wenig Angst mit dieser extrem abweisenden Art.

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Habt Freude mit unserem E-Book.


Liebe Grüße von

Kerry Greine und Ben Bertram


Freitag, 27. Januar 2017

Es ist da :-) (Nähkästchenplauderei)

Heute ist Freitag … wir haben den 27. Januar 2017 … UND
Unser neues Buch ist auch erschienen!



Ob wir aufgeregt sind?
Sagen wir mal so … Wir haben uns am gestrigen Tag der Veröffentlichung extra getroffen. Zusammen fällt es leichter die Aufregung zu „besiegen“. Okay, es fällt zumindest leichter, gegen sie anzukämpfen, was uns allerdings nur bedingt gelungen ist ;-)

Heute sind wir nicht mehr so aufgeregt.
Nein, wir sind gespannt, neugierig und total hibbelig darauf, ob euch unser neues Buch gefallen wird.
Wir hoffen es natürlich sehr, da unser größter Wunsch ist, euch tolle Lesestunden bereiten zu dürfen.

Für euch kommt jetzt der Klappentext und für UNS geht das Hibbeln weiter! ;-)

Nach ihrem Studium zieht Sina für drei Monate aus München zu ihrem Vater. Die ländliche Idylle Schleswig-Holsteins soll der Ort sein, an dem Sina sich darüber klar werden will, was sie mit ihrem Leben anfangen möchte.
In der Kneipe ihres Vaters lernt sie den eigenbrötlerischen Wolf kennen, der in einer kleinen Hütte im Wald wohnt und sich von den Bewohnern des Dorfes fernhält. Er spricht mit niemandem, bis Sina ihm eines Tages im Wald begegnet.
Ein Unfall bringt die beiden einander näher und Sina erfährt durch einen Zufall von Wolfs schwerem Schicksalsschlag. Von Tag zu Tag werden Sinas Gefühle für diesen undurchdringlichen Mann stärker, und sie beginnt, hinter die Fassade des mürrischen Waldschrats zu schauen. Als auch ihr eigenes Leben aus den Fugen gerät, ist er es, der ihr mit Rat und Tat zur Seite steht.
Aber reicht das aus? Ist Wolf in der Lage, wieder Vertrauen in andere Menschen zuzulassen?
Und kann er es schaffen, seine Mauern einzureißen und die Liebe, die Sina für ihn empfindet, zu erwidern?


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Habt Freude mit unserem E-Book.


Liebe Grüße von

Kerry Greine und Ben Bertram


Montag, 23. Januar 2017

Die Spannung steigt! (Nähkästchenplauderei)


Unsere Anspannung übrigens auch ;-)

In 3 Tagen, also am Donnerstag, den 26.01.2017, wird unser neuer Roman erscheinen.
„Flausen im Kopf, Waldschrat im Herzen“
So heißt das Buch und wir hoffen, dass es euch gefallen wird.

Ihr habt das Cover noch nicht gesehen? Wie konnte das denn passieren?
Dann werden wir es mal schleunigst ändern.



Heute möchten wir keinen Schnippsel aus unserem Buch zeigen. Auch keine kleine Leseprobe. Nein, heute möchten wir das komplette erste Kapitel präsentieren! J

Viel Freude damit!

Zitze
Es klopfte an der Wohnungstür, als ich gerade meine letzten Klamotten in den Kleiderschrank räumte.
„Hey, Mäuschen. Kommst du klar? Oder brauchst du noch irgendwas?“, fragte mein Vater, nachdem ich ihn reingelassen hatte. Er wirkte ein wenig nervös, als er sich in der kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung umschaute.
„Nein, ich glaube, ich habe alles. Danke schön. Du hättest dir echt nicht so viel Mühe machen müssen. Ich bin doch schon groß, ich kann für mich allein einkaufen.“ Ich zwinkerte meinem Pa zu und meine Worte schienen ihn ein wenig zu beruhigen.
„Ach, lass mich meine Tochter doch mal ein bisschen verwöhnen. Ich hab dich so lange nicht gesehen, da wollte ich dir einfach gern eine Freude machen.“ Ja, das stimmte. Es war schon wieder viel zu lange her, dass wir uns gesehen hatten. Ich liebte meinen Pa sehr, doch wir trafen uns leider nur selten. Nach der Scheidung von meiner Mutter vor zehn Jahren war er von München in den hohen Norden, in ein Dorf in Schleswig-Holstein, gezogen. Seitdem war unser Kontakt aufgrund der Entfernung leider stark eingeschränkt. Auch wenn wir in den letzten Jahren viel telefoniert hatten, war es doch etwas ganz anderes, als sich zu sehen.
„Ach Papa!“, sagte ich und nahm ihn in den Arm. Fest drückte er mich an sich und gab mir einen Kuss auf die Haare.
„Ich freu mich so sehr, dass du endlich hier bist! Auch wenn es nur für drei Monate ist, endlich haben wir mal ein wenig Zeit für uns“, murmelte er, dann löste er unsere Umarmung und trat einen Schritt zurück. Wieder schaute er sich um.
„Und du bist sicher, dass du nichts weiter brauchst?“, fragte er erneut und ich nickte.
„Ganz sicher!“, antwortete ich.
„Fein, dann gehe ich mal … Die Arbeit ruft. Falls irgendwas sein sollte …“
„Dann brauche ich nur die Außentreppe hinunterzugehen“, unterbrach ich ihn. Er nickte lächelnd und ließ mich dann allein.
Ich ging in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Na ja, „ein bisschen verwöhnen“ war wohl die Untertreibung des Jahres. Die Küchenschränke, der Kühlschrank und das Eisfach waren prall gefüllt mit all dem, was ich gerne aß. Ich hatte deutlich mehr, als ich brauchte, und wie es ausschaute, würde ich vieles davon gar nicht schaffen, bevor das Haltbarkeitsdatum ablief. Aber ich wusste, mein Pa meinte es gut. Es war seine Art, mir zu zeigen, wie sehr er mich liebte und wie sehr er sich freute, dass ich hier war.
Vor drei Monaten war mir die Idee gekommen, nach meinem Germanistik-Abschluss für ein paar Monate herzukommen. Ich wollte Zeit mit meinem Papa verbringen und mir in aller Ruhe überlegen, was ich mit meinem Studium anfangen und wo ich mich bewerben wollte. Was eignete sich dafür besser als ein kleines Dorf und die absolute Ruhe, die hier herrschte.
Mein Pa war von meiner Idee begeistert. Sofort hatte er angefangen, die kleine, leer stehende Einliegerwohnung über seiner Dorfkneipe herzurichten und bezugsfertig zu machen. Die Wände waren frisch gestrichen, das Parkett abgeschliffen und neu versiegelt. Er hatte neue, moderne Möbel für mich besorgt und sogar Gardinen in meiner Lieblingsfarbe aufgehängt. Auch wenn diese Wohnung nicht sonderlich groß war, war sie einfach traumhaft schön geworden. Ich fühlte mich von der ersten Sekunde an schon viel wohler, als ich es in meinem WG-Zimmer je getan hatte.

Als ich hier angekommen war, war mein kleines weißes Auto bis unters Dach voll gewesen mit Kisten und Koffern. Das Nötigste für die nächsten drei Monate hatte ich mit hierher genommen, der Rest meiner Sachen war in München eingelagert, bis ich mich endgültig entschieden hatte, wo ich zukünftig wohnen wollte. Jetzt machte ich mich daran, alles auszuräumen und in die Schränke zu verstauen.
Zwei Stunden später ging ich über die Außentreppe nach unten. Ich wollte meinem Vater in der Kneipe ein wenig Gesellschaft leisten. Auch wenn er bereits seit mittags geöffnet hatte, vermutete ich, dass nicht viel los sein würde. Wer setzte sich auch schon am Nachmittag in eine Kneipe?
Das rote Backsteingebäude mit den großen, weiß gerahmten Sprossenfenstern zur Straße hin wirkte einladend und gar nicht so verkommen und düster, wie man sich eine kleine Dorfkneipe so vorstellte.
Über der Tür hing ein hellgelbes Schild, auf dem in blauen Lettern der Name „Zitze“ stand. Ich konnte nicht genau sagen, ob es eine Anlehnung an unseren Nachnamen Zitzler war oder ob die Namensgebung nicht eher mit dem Landleben in Verbindung stand. Wahrscheinlich war der Name aber doch unserem Nachnamen geschuldet, immerhin wurde ich als Kind auch häufig damit geärgert. Daher musste ich ein wenig schmunzeln, als ich die Tür öffnete und eintrat.
Zu meiner Überraschung war schon einiges los, als ich im Gastraum ankam. Der Großteil der Tische war besetzt und auch am Tresen saßen bereits einige Gäste. Ich war noch nie hier gewesen, mein Vater hatte mich immer in München besucht, daher kannte ich seine Kneipe nur aus Erzählungen.
Überrascht schaute ich mich um. Wie von außen bereits zu erahnen gewesen war, entsprach auch das Innere nicht dem, was ich erwartet hatte.
Hell und freundlich wirkte der Laden. An den Wänden hingen wunderschöne Landschaftsaufnahmen in Schwarz-Weiß. Ein Trecker, der gerade ein Feld pflügte, ein Waldrand, hinter dem die Sonne aufging, eine Wildblumenwiese, ein einfacher hölzerner Lattenzaun. Doch schon auf den ersten Blick war zu erkennen, dass diese Fotos etwas Besonderes waren, und ich nahm mir vor, meinen Vater zu fragen, ob er sie gemacht hatte. Besonders gut gefiel mir ein Bild von einem Flusslauf am Waldrand. Obwohl es schwarz-weiß war, wirkte es so real und romantisch, dass ich mich am liebsten sofort an das Ufer gesetzt hätte.
„Hey, Sina! Schön, dass du kommst“, riss die Stimme meines Vaters mich aus meinen Betrachtungen. Er freute sich sichtlich, mich zu sehen, und so ging ich zu ihm hinüber an den Tresen.
„Magst du was trinken?“, fragte er, kaum dass ich auf einem der Barhocker Platz genommen hatte.
„Ja, gern. Aber bitte kein Bier!“ Mein Blick wanderte zu den Gläsern, die auf dem Tresen standen. Es war noch nicht mal 17 Uhr, für meinen Geschmack viel zu früh, um mit Alkohol anzufangen. Oder lag es daran, dass heute Samstag war und niemand mehr arbeiten musste?
Ich entschied mich für eine Cola light, und während ich trank, musterte ich die anwesenden Dorfbewohner. Hauptsächlich ältere Männer waren hier vertreten. An mehreren Tischen wurde Karten gespielt, andere hatten Würfelbecher vor sich stehen. In einer Ecke war ein Spielautomat an der Wand, vor dem einer der Herren sein Glück versuchte, den Jackpot zu knacken.
„Ist das hier immer so?“, fragte ich meinen Pa und deutete auf die Leute. „Oder gibt es hier so wenig Frauen?“
Mein Vater grinste.
„Nein, hier gibt es schon auch Frauen. Die Jungs sind fast alle verheiratet. Aber sie werden von ihren Frauen rausgeschmissen, damit sie nicht im Weg rumstehen, während das Abendessen vorbereitet wird. Das ist hier ganz normal. Warte mal ab, in einer Stunde sind die alle weg, dann ist hier Totentanz. Und nach der Tagesschau kommen sie zusammen mit den Frauen wieder, dann wird es voll hier.“
Ein wenig wunderte ich mich schon über diese merkwürdigen Gepflogenheiten, aber vielleicht war ich auch einfach nur viel zu sehr ein Großstadtkind.
Während ich meine Cola light trank, erzählte mir mein Vater, was es hier alles zu erleben gab. Wobei „erleben“ für ihn wohl eine andere Bedeutung hatte als für mich. Außer dieser Kneipe gab es in dem 500-Seelen-Dorf anscheinend nur noch eine kleine Bäckerei. Ansonsten war hier in der Gegend nichts außer Wald, Feldern, Bauernhöfen und Tieren. Okay, ich hatte nicht erwartet, dass es hier Diskotheken und Shoppingmalls geben würde, aber zumindest einen vernünftigen Supermarkt oder ein, zwei Bekleidungsgeschäfte. Leider wurde ich eines Besseren belehrt. Und nicht nur das, mein Vater lachte mich sogar aus.
„Sei froh, dass wir hier mittlerweile vernünftiges Internet haben. Vor anderthalb Jahren musste man sich hier noch mit einem 56k-Modem über die Telefonleitung einwählen“, erklärte er mir und ich lachte auf.
„Ja, genau. Sehr witzig, Papa. Veralbern kann ich mich selbst“, antwortete ich augenzwinkernd, doch einer der Männer am Tresen mischte sich sofort ein.
„Nee, Mädchen. Zitze verarscht dich nicht. Das war echt so.“ Eifrig nickend stimmte sein Sitznachbar zu.
„Jo! Aber wat soll’n wa hier auch mit so’n neumodischen Krams?“, fragte er in breitem Norddeutsch. Ein wenig geplättet musterte ich die beiden Männer und wunderte mich, wie man im Jahre 2017 noch derart hinter dem Mond leben konnte.
„Keine Angst, Mäuschen. Mittlerweile sieht es anders aus und in deiner Wohnung gibt es auch WLAN.“ Beruhigend legte mein Vater seine Hand auf meine und drückte leicht zu. Dankbar lächelte ich ihn an.
Auf einmal kam Bewegung in die Gäste. Es schien, als hätten sie sich alle abgesprochen, denn sie standen nacheinander auf, nickten meinem Vater freundlich zu und verließen das Lokal. Innerhalb von zehn Minuten war ich mit meinem Pa allein. Und nicht nur das war merkwürdig. Mir fiel auf, dass nicht einer der Gäste etwas für seine Getränke bezahlt hatte.
„Was ist denn jetzt?“, fragte ich verwirrt. Mein Vater deutete auf die große Bahnhofsuhr, die hinter dem Tresen an der Wand hing.
„Es ist sechs. Jetzt geht’s nach Hause, in einer halben Stunde steht das Abendessen auf dem Tisch.“ Breit grinsend polierte mein Pa an einem Bierglas, bevor er es in die Vorrichtung über dem Tresen hängte und nach dem nächsten griff.
„Ähm … okay … Aber wollen die nicht zahlen?“ Ich kam mir ziemlich dumm vor, als ich diese Frage stellte, erst recht, als mein Vater laut loslachte.
„Nö, die haben hier ihre Bierdeckel. Da schreib ich alles auf und einmal die Woche wird abgerechnet.“
Na, der hatte ja Vertrauen in seine Gäste. Aber gut, bei geschätzten 500 Einwohnern kannte vermutlich eh jeder jeden.

Wir hoffen, es hat euch gefallen und neugierig gemacht!
Wie gesagt ;-) Am 26.01.2017 steht unser Buch für euch bereit.

Liebe Grüße

Kerry & Ben