Freitag, 27. April 2018

Meine Welt ist bunt ... oder: 7,5 Wochen

Guten Morgen und einen sonnigen Freitag wünsche ich euch! :-)

Was ich mit der Überschrift sagen will? Da kommen wir gleich zu. ;-)

7,5 Wochen ist es her, dass ich dieses Foto gemacht habe. Den Baum, den ich in den letzten Wochen jeden Tag sehen durfte. 


7,5 Wochen ... unglaublich, wie schnell die Zeit vergangen ist und noch viel unglaublicher, was in dieser Zeit so alles passiert ist! 

Als ich vor 7,5 Wochen in mein "Zuhause auf Zeit" gezogen bin, hatte ich einen dicken Angst-Knoten im Bauch und gefühlte eine Million Fragen im Kopf. Ich hatte keine Ahnung, was auf mich zukam und ich war zutiefst verunsichert. 
Und dann war da dieser Baum ... Dieser alte Baum hat mich vom ersten Moment an fasziniert. Er strahlte so viel Ruhe aus, so viel Sicherheit. Sicherheit, die ich ganz dringend brauchte. Und genau das hat dieser Baum mir gegeben. Vom ersten bis zum letzten Tag. 
Ich weiß nicht, wie oft ich auf seinen Wurzeln gesessen habe, den Rücken an den Stamm gelehnt. Bei Regen, bei Sonne, bei Tag und auch bei Nacht. Ich habe nachgedacht, gegrübelt, ich habe die Sterne beobachtet, die Vögel, die Kaninchen (es gibt da gaaaanz viele und sie sind so süß!). Ich habe dort gesessen, Musik gehört und geschrieben. 
Ich habe mich beschützt gefühlt. Und glücklich. 
Ja, je mehr Zeit verging, desto mehr konnte ich sowas wie Glück und Freude wieder fühlen. 

Und nun ... 

7,5 unglaubliche Wochen liegen hinter mir. 

Die ersten Tage war ich komplett überfordert - so viele Menschen! Und das mir, wo ich doch so gern mit mir (und der Wauz ... ;-) ) allein bin. 
Aber dann habe ich gemerkt, wie herzlich alle sind. Ich hatte das Gefühl, willkommen zu sein. Als würden die Leute sich freuen, dass ich da war. ICH! 

Die Ärzte, das Pflegeteam, die Therapeuten - sie alle waren immer für mich da. Sie hatten zu jeder Zeit ein offenes Ohr und haben mir (und allen anderen Patienten!) mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Ich glaube, ich habe in meinem Leben selten so viel in so kurzer Zeit gelernt. Über mich, über mein Leben, über das, was ich möchte - und auch das, was ich nicht (mehr) möchte, über den Umgang mit diesen "grauschwarzbunten Regenbogentagen". Ohne sie alle hätte ich das niemals geschafft. 
(Und falls einer von Ihnen zufällig diesen Blog liest - ich kann mich gar nicht genug bedanken! Sie sind so großartig in Ihrem Job! DANKE!!!)

Ich habe Menschen kennengelernt, die mir zu Freunden geworden sind und mit denen ich sicher noch ganz lange Kontakt haben werde. 
Und Menschen, die ich ganz fest in meinem Herzen trage und die ich nie wieder aus meinem Leben lassen möchte. (Du weißt, dass du gemeint bist ... ;-) )

Ich habe gelacht, bis ich keine Luft mehr bekommen habe, ich habe geheult wie ein Baby. Ich war wütend - und habe gelernt, dass ich es sein darf. Ich habe sämtliche Emotionen durchgemacht, aber das gehört wohl dazu ... ;-)

Allerdings habe ich nicht nur neue Menschen dazu gewonnen, ich habe mich auch von Menschen verabschiedet. Innerlich ebenso wie äußerlich. 
Ich möchte niemanden mehr in meinem Leben haben, der so tut, als wären wir Freunde, während er hinter meinen Rücken schlecht über mich redet. Der anderen erzählt, dass er sich nur mit mir abgibt, weil ich ihm nutze. Jemanden, der mich verantwortlich macht, weil er selbst mit seiner Gefühlswelt nicht klar kommt. Der mich manipuliert, damit ich in seinem Sinne "funktioniere" ...

Früher dachte ich mal, ich wäre nicht gut genug für manche Menschen. Nun weiß ich, manche Menschen sind nicht gut genug für mich! 
Und wisst ihr was? Ich fühle mich total erleichtert, diesen Ballast los zu sein. :-) 

Natürlich ist nicht jeder Tag gleich, es gibt gute und schlechte Tage, aber haben wir die nicht alle? ;-) 

Manche meiner Tage sind grau oder auch mal schwarz, dennoch habe ich gelernt, dass diese Tage dazu gehören. Ich habe gelernt, dass auch diese Tage ihr Gutes haben, denn sie bringen mich zurück zum wichtigsten Menschen meines Lebens - zu mir selbst! 

Und die wichtigste Lektion war wohl, dass ich gelernt habe, auf mich selbst zu achten. Für mein Wohlbefinden zu sorgen. 

Im Großen und Ganzen kann ich genau das sagen, was oben schon steht. 

Meine Welt ist wieder bunt! 

Und ich werde alles daran setzen, dass es auch so bleibt. 

Denn ICH bin der wichtigste Mensch meines Lebens. Und ich muss dafür sorgen, dass es mir gut geht. Immerhin muss ich mich für den Rest meines Lebens ertragen. ;-) 

Der Baum, der mich in den letzten Wochen jeden Tag begleitet hat, sieht nun so aus. Genau wie meine Welt ist auch er in den letzten Wochen bunt geworden. 




Gestern habe ich mich verabschiedet - mit einem lachenden Auge und einem weinenden. Vom Baum und auch von den vielen wundervollen Menschen.
Denn trotz allem war es eine großartigen Zeit auf die ich mit Sicherheit immer gern zurückblicken werde. 

Ich wünsche euch ein tolles Wochenende - und kümmert euch gut um euch selbst! 

Eure Juli









Freitag, 20. April 2018

Normal anders? Oder anders normal?



Neulich sagte jemand zu mir: "Du bist anders als andere Frauen!" 

Ich muss zugeben, im ersten Moment ging mir der Ar*** ein wenig auf Grundeis. ;-) Anders? Was heißt denn anders? Und ist das jetzt gut? Oder eher schlecht? 

Ich hab - natürlich - nachgefragt und bekam als Antwort: "Na ja, halt nicht wie andere Frauen. Du bist nicht so normal, du bist halt anders." 

Okay, den Rest des Gesprächs erspare ich euch, nur so viel: Dieser Satz kam von einem Mann und er meinte ihn als absolutes Kompliment. :-)

Ich hab mich total darüber gefreut, dass ich so wahrgenommen werde. Allerdings wäre ich nicht ich, wenn ich nicht über solche ungewöhnlichen Sätze - oder besser Komplimente - nachdenken würde. 
Dabei ist mir etwas aufgefallen. Egal wo, ob im realen Leben, auf Facebook, Instagram oder sonstwo bezeichnen die Leute sich selbst als "anders". Wenn irgendwo etwas gepostet wird, dass normal ja langweilig wäre, schrei(b)en die Menschen "Ich bin froh, dass ich anders bin!" 

Aha ... okay! Jeder ist anders, keiner ist normal. 
Was für eine Reisenüberraschung! - Sorry, Ironie ist schwierig zu schreiben, stellt euch einfach mein Grinsen und das Augenzwinkern dazu vor ... ;-) 

Ich meine, natürlich ist jeder anders. Schließlich sind wir alle Individuen und niemand möchte gern in eine Schublade gesteckt werden. Allerdings ... Wer entscheidet eigentlich, was normal und was anders ist? 
Ein Punker unter Punkern ... Nur so als Beispiel ... ist der anders? Oder ist er da normal? Oder vielleicht normal anders? Oder gar anders normal? 
(Könnt ihr meinen verwirrten Gehirnwendungen überhaupt noch folgen? ;-) ) 

Kommen wir zurück zu meinem Kompliment. Klar freue ich mich, dass ich bei diesem Mann einen solch bleibenden Eindruck hinterlassen habe, dass er mich anders wahrnimmt als andere Frauen. Dass ich ihm (positiv! ;-) ) aufgefallen bin. Aber dennoch ... Bin ich wirklich anders? Oder bin ich nicht einfach normal? 

Schauen wir doch mal ...
Ich wohne in einem Haus, habe durchschnittliche zwei Kinder, einen Hund und einen Garten. Ich gehöre in ein kleines Dorf und lebe damit, dass meine Nachbarn sich darüber "austauschen", wenn ich meinen Rasen nicht rechtzeitig mähe. Klingt ganz normal, oder? ;-) 

Okay, betrachte ich mich mal von der anderen Seite. Oder sollte ich sagen von der "Anders"-Seite? 
Ich habe mehrere Tattoos und Piercings, ich habe genau eine Jeans im Schrank, die kein Loch aufweist. Ich besitze irgendwo ein Paar Pumps, trage sie allerdings nur unter Zwang. Ich habe keinen Schuhtick, gehe ungern shoppen, finde Parfümerien - und auch Parfums - ziemlich unerträglich und wehre mich, außer zu besonderen Anlässen ein Kleid anzuziehen. 
Ich gehöre in ein kleines Dorf, in dem die Menschen gern tratschen, aber es interessiert mich nicht sonderlich, wer was über mich sagt und wer sich bei Meier, Müller und Schulze drüber aufregt, dass mein Rasen mal wieder nicht gemäht ist. 

Und nun? Bin ich nun anders? Oder bin ich normal? Oder bin ich vielleicht tatsächlich anders normal oder normal anders? 
Was denkt ihr? Was bin ich - und was ich viel spannender finde - wie seht ihr euch? ;-) 

Wollt ihr wissen, zu welchem Ergebnis ich gekommen bin? ;-) 
Also ganz ehrlich - es ist egal, was von alledem ich bin. Wichtig ist mir nur eins: Ich bin ICH!

Ich bin authentisch, ich bin echt. Ich muss anderen keine Lügengeschichten erzählen, um mich besser und überlegen zu fühlen. Ich muss mich nicht in irgendeiner Form an andere anwanzen, nur um zu den "coolen Kids" zu gehören oder erfolgreich zu sein. Ich muss mich nicht verbiegen, um allen Dorfbewohnern zu gefallen. 

Ich bin nun mal so, mich gibt es nicht anders. ;-) Ich könnte auch gar nicht anders sein. 

Wenn ich heule, wenn ich lache, wenn ich rede wie ein Wasserfall, wenn ich nachdenklich schweige. Ich bleibe ich. Und wisst ihr was? Es gibt Leute, die lieben mich tatsächlich, weil ich genau das bin. ICH! 

Vor kurzem habe ich jemanden gefragt, was er eigentlich an mir findet. 
Er kennt mich verheult wie ein Baby und mit verschmierter Maskara wie ein Panda. Er kennt mich mich frisch geduscht, noch nass wie ein Fischotter, ungeschminkt und im Schlabberlook. Er kennt meine Narben - die äußeren und die inneren. Er kennt die Seiten, die man eigentlich nicht soooo gern jemand anderem zeigt (erst recht nicht, wenn man denjenigen kaum kennt ... ;-) ), diese dunklen Seiten, die man eigentlich verstecken möchte. 

Wisst ihr, was derjenige auf meine Frage geantwortet hat? 

"Dass du immer, egal was du tust, authentisch bist." 

Ein einziger Satz und dennoch ... Wow! Ich war sehr gerührt, das gebe ich zu. Denn das ist es doch, was ich möchte. Ich möchte geliebt werden für das, was ich wirklich bin. Nicht dafür, zu sein, wie andere mich gern hätten. Und mal ehrlich - wollen wir das nicht alle? 


Ich wünsche euch ein sonniges Wochenende und holt euch keinen Sonnenbrand! ;-) 
Liebe Grüße 
Eure Juli  

Freitag, 13. April 2018

Drei Wochen ...


Moin ihr Lieben! 
Schwupps, da ist er wieder ... Fre(u)itag und der Start in ein hoffentlich sonniges Wochenende. ;-)

Mögt ihr mitkommen auf eine Reise quer durch Italien? Habt ihr Lust auf Sommer, Sonne und dolce vita? ;-) 

Dann habe ich vielleicht das Richtige für euch. ;-) 

Da mein Sommerroman "Drei Wochen und ein ganzes Leben" derzeit als E-Book im Kindle Deal des Monats April bei Amazon ist, habe ich euch eine kleine Leseprobe mitgebracht. 

Heute gibt es hier das komplette erste Kapitel zum Reinschnuppern. 

Viel Spaß und genießt die Zeit!  



Samstag, den 10. Juni

~*~ Hamburg ~*~

„Und du bist dir ganz sicher, dass du das machen willst?“ Besorgt wanderte der Blick meiner Mutter zwischen mir und meinem überdimensionalen Trekkingrucksack hin und her. Ihre Augen schwammen in Tränen, doch sie kämpfte sichtbar dagegen an. Verständnisvoll lächelnd nahm ich sie in den Arm und drückte sie an mich. Ich wusste, wie schwer es ihr fiel, mich gehen zu lassen. Das war mir bereits klar, bevor ich diese Reise geplant hatte. Ich war ihr Baby, ihr Nesthäkchen, ihr Augapfel. Die letzten 25 Jahre war es ihre Aufgabe gewesen, mich vor allem, was mir schaden konnte, zu beschützen – und das hatte sie getan.
Zwar war sie dabei regelmäßig über das Ziel hinausgeschossen und hatte mir oft genug die Luft zum Atmen genommen, aber ich wusste immer, sie tat es aus Liebe zu mir.
„Ja, Mamma, ich bin mir ganz sicher! Und es sind ja nur ein paar Wochen. Ich habe es dir doch erklärt: Ich möchte auf den Spuren meiner Vorfahren wandeln und das Land kennenlernen, aus dem ich eigentlich stamme.“
„Deine Großeltern haben Sizilien nie wirklich verlassen. Da gibt es nicht sonderlich viele Spuren deiner Vorfahren, auf denen du wandeln kannst“, mischte mein Vater sich mürrisch ein und schüttelte genervt den Kopf. Während meine Mutter Probleme damit hatte, mich allein losziehen zu lassen, vertrat mein Vater die Meinung, es wäre rausgeworfene Zeit. Er konnte nicht nachvollziehen, warum ich – eine Tochter aus gutem Hause – freiwillig fast vier Wochen mit dem Rucksack durch Italien touren wollte. Ein Urlaub nach seinem Geschmack wäre es gewesen, mit dem Flugzeug erster Klasse zu fliegen und dann in Fünf-Sterne-Hotels zu wohnen.
Aber das war es nicht, was ich wollte. Ich wollte keine Upper-Class-Reise, ich wollte die Freiheit spüren, wollte Land und Leute kennenlernen, anstatt klimatisierter Hotels und viel zu teurem Essen. Ich brauchte keinen Prunk, keinen Glitzer und Glamour. Ich wollte das wahre Leben entdecken. Das Leben außerhalb der Mauern unserer Hamburger Villa und der besseren Gesellschaft. Doch das war ein Punkt, den mein Vater nie verstehen würde. Wir waren einfach zu unterschiedlich.
„Babbo, bitte!“ Flehend sah ich zu meinem Vater auf, der missmutig die Arme vor der Brust verschränkt hatte. Ich mochte mich nicht noch mit ihm streiten, ich wollte nicht, dass wir so auseinandergingen. „Gib mir diese vier Wochen. Sie gehen ganz schnell vorbei und danach bin ich komplett für deine Kanzlei da.“ Beim Gedanken daran lief mir ein unangenehmer Schauer über den Rücken. Es fühlte sich an, als wäre mein Leben nach diesen vier Wochen vorbei. Denn wenn ich wieder zu Hause war, musste ich in der Anwaltskanzlei meines Vaters antreten. Mein Jurastudium war abgeschlossen, die letzten Prüfungen lagen gerade hinter mir, bald ging der Ernst des Lebens los. Doch während meine Kommilitonen es gar nicht abwarten konnten, endlich loszulegen, bildete sich in meinem Magen ein unangenehmer Kloß.

Als ich Jolas alten Golf die lange Einfahrt zur Villa meiner Eltern hochkommen sah, wandte ich mich erneut meiner Mutter zu, die noch immer gegen die Tränen kämpfte.
„Vier Wochen, Mamma! Die vergehen ganz schnell, versprochen! Und wir werden zwischendurch telefonieren. Du wirst kaum merken, dass ich weg bin.“
Nun löste sich die erste Träne aus ihrem Augenwinkel. Schniefend wischte sie sie weg und schloss mich fest in die Arme. „Du bist einfach mein Baby, Sienna. Und du wirst es immer bleiben. Deine Geschwister sind schon so erwachsen, aber du … Jetzt verlässt auch du das heimische Nest und das …“ Sie brach ab und atmete tief durch, um sich wieder zu sammeln. Dann löste sie sich von mir und nahm meine Hände zwischen ihre. „Hier, falls du irgendetwas brauchst. Aber verrat es nicht deinem Vater“, sagte sie verschwörerisch, und ich spürte, wie sie mir ein Bündel Geldscheine in die Hand schob, während sie meinem Vater einen verstohlenen Blick zuwarf. Er bekam nicht mit, worüber wir sprachen, da er gerade Jola begrüßte, die aus dem Auto stieg.
„Mamma, ich habe genug Geld! Wirklich! Ich brauche es nicht!“, protestierte ich und versuchte, ihr das Geldbündel wiederzugeben, doch sie wiegelte ab.
„Sieh es als Notgroschen. Falls irgendetwas ist. Du weißt nie, was geschieht.“
Seufzend steckte ich das Geld ein und bedankte mich bei meiner Mutter. Ich wusste, sie meinte es nur gut, aber ich hätte ihr Geld wirklich nicht gebraucht – und eigentlich wollte ich es auch nicht.
Diese Reise war mein Wunsch. Sie war mein Ausbruch aus diesem goldenen Käfig, der mein Leben in den letzten fünfundzwanzig Jahren gewesen war. Sie sollte nicht dafür bezahlen, ich wollte es allein schaffen.
„Wollen wir dann los? Nicht dass der Zug noch ohne dich fährt.“ Jola riss mich aus meinen Gedanken. Ein Blick auf die Uhr an meinem Handgelenk verriet mir, dass wir uns sputen mussten, wenn ich meinen Zug rechtzeitig erreichen wollte.
Schnell verabschiedete ich mich von meinen Eltern und hievte den schweren Trekkingrucksack in Jolas Kofferraum.
„Ich melde mich, wenn ich in Basel bin!“ Ich winkte den beiden noch einmal zu und stieg in den Wagen. Als wir die lange Auffahrt hinunterfuhren, konnte ich im Rückspiegel sehen, wie meine Mamma sich an Babbo schmiegte. In diesem Moment musste auch ich gegen einen Kloß in meinem Hals ankämpfen.

„Und du bist dir wirklich sicher, dass du mich nicht mitnehmen willst?“, fragte Jola, während sie durch Hamburgs Straßen fuhr, und schubste mich leicht mit dem Ellenbogen an.
„Ja, bin ich! Diese Reise ist nur für mich allein.“
„Aber du weißt, dass wir zu zweit eine Menge Spaß haben würden, oder? Wir würden Italien und vor allem die italienische Männerwelt mal so richtig aufmischen“, sagte sie kichernd.
„Das werden wir auch, Süße. Aber die Männerwelt muss warten, bis wir auf Sizilien sind.“
„Du bist gerade wirklich auf dem Selbstfindungstrip, oder?“
Ich zuckte mit den Schultern und sah aus dem Fenster. Ein letztes Mal nahm ich meine Heimatstadt bewusst wahr, bevor ich für die nächsten Wochen verschwand und die Welt außerhalb der High Society, weitab von schicken Hotels, Nobelrestaurants und First-Class-Flügen kennenlernte.
„Selbstfindungstrip? Ich weiß nicht … Ich würde es eher als Abenteuer bezeichnen.“ Wir hatten bereits unzählige Male darüber gesprochen, und ich hatte Jola immer wieder erklärt, was mich antrieb.
„Das weiß ich doch, Süße! Und ich finde es toll, dass du es machst. Ich bin nur ein bisschen neidisch, weil du megacoole Orte sehen und wahnsinnig viel erleben wirst. Ich meine … Mailand! Was kannst du da shoppen!“
Kichernd schüttelte ich den Kopf. „Ich fahre doch nicht zum Einkaufen dahin. Außerdem ist Mailand längst nicht mehr so spannend, wenn man schon diverse Male da war. Ich will das Land kennenlernen und die Leute. Ich will mir selbst beweisen, dass ich auf eigenen Füßen stehen kann, ohne dass Mamma und Babbo einspringen, wenn es mal schwierig wird. Abgesehen davon … Hast du dir mal meinen Rucksack angeschaut? Der ist so knallvoll, da passt nicht mal mehr ein Paar Socken rein. Shoppen ist also nicht.“

Am Hauptbahnhof angekommen, parkte Jola ihren alten Golf frech in einer Parkverbotszone.
„Willst du hier so stehen bleiben?“, fragte ich und deutete auf das Schild, das unübersehbar direkt vor uns hing.
„Klar! Ist ja grad keine Parklücke frei, und du glaubst doch nicht, dass ich dich allein zum Bahnsteig gehen lasse. Wenn meine beste Freundin zu so einem Abenteuer aufbricht, werde ich sie zumindest vernünftig am Zug verabschieden.“
„Und wenn du zurückkommst, ist dein Auto abgeschleppt“, gab ich zu bedenken, aber Jola lachte nur und stieg aus. Nach einem letzten Blick auf das Parkverbotsschild folgte ich ihr. Als ich am Kofferraum ankam, hievte sie gerade meinen Rucksack heraus.
„Boah, was hast du da drin?“, fragte sie ächzend und stellt ihn auf den Boden. „Hast du zur Sicherheit noch ein paar Backsteine mitgenommen? Damit du was zum Werfen hast, falls dich jemand belästigt?“
Ich schüttelte den Kopf und schnallte mir das schwere Teil auf den Rücken. Jola hatte recht. Wenn ich nicht wüsste, was ich alles eingepackt hatte, würde ich auch auf Backsteine tippen.
Als wir am richtigen Bahnsteig ankamen, war ich vollkommen aus der Puste. Mein T-Shirt und die Jeansjacke klebten unangenehm feucht an meinem Rücken. Schnell befreite ich mich von dem Ungetüm auf meinen Schultern und ließ den Rucksack auf den Boden fallen. Wenn ich daran dachte, dass ich das Teil die nächsten Wochen würde schleppen müssen, wurde mir ein wenig mulmig. Natürlich hatte ich das Gewicht des Trekkingrucksacks beim Packen getestet, doch ihn einmal kurz hochzunehmen und wieder abzustellen war etwas ganz anderes, als ihn über Hunderte Meter zu tragen. Na super! Das konnte ja heiter werden. Ich sah mich schon ächzend vor Schmerzen und Muskelkater irgendwo am Straßenrand liegen. Schnell schüttelte ich den Kopf, um diese Bilder aus meinem Kopf zu vertreiben.
„Und du bist sicher, dass du nichts vergessen hast?“, fragte Jola und stupste meinen zwischen uns stehenden Rucksack mit der Schuhspitze an.
„Selbst wenn, wäre es jetzt wohl ein bisschen zu spät“, erwiderte ich. „Aber nein, ich denke, ich hab alles.“ In diesem Moment wurde ich von einem einfahrenden Zug unterbrochen, der lautstark an uns vorbeiratterte und mit quietschenden Bremsen zum Stehen kam.
„Auf geht’s!“, sagte Jola und trat vor mich. Sie legte ihre Hände auf meine Schultern und drückte leicht zu, bevor sie mich in ihre Arme zog. „Ich wünsche dir ganz viel Spaß und tolle Erfahrungen. Genieß dieses Abenteuer – aber lass die Finger von der Männerwelt. Vergiss nicht, die erobern wir gemeinsam, wenn wir uns auf Sizilien treffen. Ich freu mich schon! Am liebsten würde ich gleich anfangen zu packen.“
„Na, das wäre wohl ein wenig früh“, erwiderte ich feixend. „Du musst noch ein bisschen warten. Aber ich freue mich drauf, dich in drei Wochen am Flughafen in Empfang zu nehmen. Und bis dahin … wird sicher alles gut gehen. Ich hab dich lieb, Süße!“ Ich gab Jola noch einen Kuss auf die Wange, dann stemmte ich den Rucksack erneut auf meinen Rücken und stieg in den ICE, der mich zu meiner ersten Station nach Basel bringen würde.

Nachdem ich das richtige Abteil gefunden hatte, richtete ich mich für die nächsten Stunden häuslich ein. Bisher hatte ich noch keinen Mitfahrer, daher konnte ich mich ein wenig ausbreiten.
Jola hatte den Bahnsteig schon verlassen. Wahrscheinlich hatte sie doch Sorge, dass ihr Auto abgeschleppt werden könnte. Als der Zug den Bahnhof verließ, lehnte ich mich entspannt zurück und schloss die Augen.
Das Bild meiner Mamma erschien in meinem Kopf. Wie traurig sie auf der Auffahrt gestanden und dem Wagen hinterhergeschaut hatte. Wie sie sich dort an meinen Vater gelehnt hatte, wirkte sie so klein und zart. Ich wusste, es tat ihr weh, mich gehen zu lassen. Doch sie wusste, sie hatte keine Chance, mich zu halten.
Ich erinnerte mich, wie meine Eltern reagiert hatten, als ich ihnen vor ein paar Wochen von meinen Reiseplänen erzählte. Meine Mutter war in Tränen ausgebrochen und wollte sich gar nicht mehr beruhigen. Immer wieder betonte sie, wie gefährlich es doch wäre, als Frau allein zu reisen. Sie zählte auf, was alles passieren konnte, und versuchte, mich umzustimmen.
Mein Vater hingegen hatte ganz anders reagiert. Als Familienoberhaupt hatte er nur grimmig die Arme vor der Brust verschränkt, den Kopf geschüttelt und gesagt: „Nein!“
Nur dieses eine Wort. „Nein!“
Jedes Mal, wenn ich versucht hatte, ihm zu erklären, dass ich trotzdem fahren würde, dass ich bereits gebucht hatte, kam es wieder: „Nein!“
Für ihn gab es keinerlei Diskussion. Er sagte kategorisch nein und ich hatte zu spuren. So war es immer gewesen. Doch ab sofort nicht mehr!
Ein paar Tage lang ging es so. Meine Mamma versuchte, mich mit Horrorstorys, die sie irgendwo gelesen hatte, umzustimmen. Sie erzählte mir von ausgeraubten Touristinnen. Von in der Bahn geklautem Gepäck. Von Vergewaltigungen. Von Messerstechereien. Von im Schlaf Ermordeten in irgendwelchen Hostels.
All das waren Sachen, die ich nicht hören wollte. Sosehr ich Mamma verstand, ich wollte mir von ihr keine Angst machen lassen.
Von meinem Vater hingegen kam auch in den Tagen danach nur dieses eine Wort, wenn ich versuchte, auf meine Reise zu sprechen zu kommen. Nein!
Irgendwann fragte ich ihn, ob er eigentlich wüsste, dass ich fünfundzwanzig Jahre alt sei und somit durchaus in der Lage und gesetzlich befugt, solche Entscheidungen selbst zu treffen.
„Meine Tochter wird nicht wie ein Hippie mit Bus und Bahn quer durch Italien reisen!“, war seine Antwort. Damit ließ er mich stehen. Er hatte seinen Standpunkt wieder einmal klargemacht.
Zwei Tage später lenkte er unverhofft ein. Was ihn dazu getrieben hatte, verstand ich bis heute nicht. Er vertrat zwar noch immer die Meinung, dass es rausgeworfene Zeit wäre, aber es kam nicht mehr das kategorische „Nein“ von ihm. Er schien sich damit abzufinden, da er sowieso nichts dagegen machen konnte, dass ich fuhr. Ich war überrascht, weil er meine Entscheidung auf einmal akzeptierte, und freute mich, dass ich es geschafft hatte, mich gegen meinen Vater zu behaupten. Das war in meinem Leben eher selten der Fall gewesen. Meist gab er Anweisungen, und die Familie hatte Folge zu leisten, ohne aufzumucken. So war es auch mit meinem Studium. Von klein auf war klar, dass ich Jura studieren und ebenso wie meine drei älteren Geschwister in die Kanzlei meines Vaters einsteigen würde. Ich konnte nicht einmal sagen, ob ich diesen Beruf für mich selbst gewählt hätte, wenn es meine Entscheidung gewesen wäre. Da es allerdings nicht meine Entscheidung war, hatte ich nie weiter darüber nachgedacht, was ich vielleicht lieber studiert hätte. Ich wollte mich nicht damit befassen, weil ich keine Sehnsucht, keinen Wunsch wecken wollte, der unerfüllbar bleiben würde.

„Hier noch Kaffee? Etwas Kaltes? Ein Schokoriegel?“ Ich öffnete die Augen, als eine männliche Stimme an mein Ohr drang. In der Tür zum Abteil stand ein Mann mit einem Servierwagen aus dem Bordrestaurant. Kaffee war jetzt gar keine so schlechte Idee.
„Haben Sie auch Cappuccino?“, fragte ich und der junge Mann schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein, tut mir leid. Cappuccino gibt es nur im Bordrestaurant. Ich habe bloß normalen Filterkaffee.“ Entschuldigend deutete er auf die große Thermoskanne. 
„Okay, dann hole ich mir dort einen. Vielen Dank.“ Während ich in meinem Rucksack nach meinem Portemonnaie kramte, schloss er die Tür und zog weiter. Als ich es gefunden hatte und den Kopf wieder hob, sah ich, wie jemand in mein Abteil hineinschaute. Die Hände rechts und links an das Gesicht gelegt, starrte er durch die Scheibe, bis er merkte, dass ich ihn entdeckt hatte. Es ging so schnell, ich konnte das Gesicht nicht klar erkennen, denn im selben Moment zog derjenige hektisch den Kopf ein und eilte weiter. Eigentlich war gar nichts dabei. Vermutlich war es nur ein anderer Fahrgast, der seinen Platz gesucht hatte. Dennoch kam mir die Situation merkwürdig vor. Ich konnte nicht sagen warum, es war nur ein Bauchgefühl. Aber leider ein ungutes …
„Was war das denn?“, fragte ich mich leise. Dann schüttelte ich über mich selbst den Kopf. „Hat der Typ sich gerade wirklich benommen, als hätte ich ihn bei etwas ertappt? Oder werde ich jetzt schon paranoid nach den ganzen Horrorstorys, die Mamma mir erzählt hat?“ Auf einmal traute ich mich nicht, mein Gepäck allein im Abteil zu lassen, während ich ins Bordrestaurant ging. Seufzend steckte ich mein Portemonnaie wieder weg und holte eine Wasserflasche heraus, die ich von zu Hause mitgebracht hatte. Hätte ich doch bloß einen normalen Kaffee von dem jungen Mann und seinem Servierwagen genommen. Jetzt musste ich leider auf den kleinen Koffeinschub verzichten.



Naaa, seid ihr neugierig, wie es im nächsten Kapitel weitergeht? Ob Sienna wohl ihren Kaffee noch bekommt? ;-) 
Dann schaut mal hier: https://www.amazon.de/dp/B074RKCCF1
Momentan reduziert - es lohnt sich also, zuzuschlagen. ;-) 

Freitag, 6. April 2018

Und nun?

Hallo ihr Lieben, 

nachdem der Blog von letzter Woche, diese kleine Geschichte über die "Zwischenwelt" einen solchen Anklang gefunden hat, wusste ich nicht so recht, was ich diese Woche schreiben sollte. 
Die Geschichte von Freitag war toll, aber auch ein wenig schwere Kost. Romantisch, schön, liebevoll und doch ein bisschen traurig. Sie wirkt nach - in mir und vielleicht auch in euch ... Ich denke oft an dieses Paar und frage mich, was ihnen die Zukunft wohl noch bringen mag.

Nicht jede Liebesgeschichte hat ein Happy End, aber ich glaube, das Pärchen vom Bahnhof wird ihr Happy End finden. Da bin ich mir sehr sicher! 

Ach so ... falls ihr letzte Woche nicht gelesen habt, und nicht wisst, worüber ich spreche, könnt ihr gern noch mal nachlesen. ;-)

HIER geht es zur Geschichte über das unbekannte Paar am Bahnhof. Und wer weiß ... vielleicht gibt es irgendwann eine Fortsetzung zu den beiden ...

Aber nicht heute! ;-) 

Und nun? 

Okay, wie gesagt, ich wusste nicht, was ich schreiben sollte, ich wusste nur, etwas Leichtes musste mal wieder her. ;-) 

Wie wäre es denn mit ... Handarbeit. Das ist doch ein leichtes Thema, oder? Was ganz Entspanntes - und angeblich auch Entspannendes ... 

Wie ich darauf komme? Ich durfte diese Woche eine für mich völlig neue Erfahrung machen. Ich gebe zu, Handarbeit ist noch nie so wirklich mein Thema gewesen. Ich bin für Handarbeiten ungefähr so talentiert und habe daran ebenso viel Spaß wie ein Elefant am Eislaufen. ;-) 

Als ich klein war, hat meine Ma mir die Schallplatte vom "Trotzkopf" geschenkt. Ich habe die Geschichte um Ilse Macket geliebt! 
Mir war klar, warum ich die Platte bekommen habe und meiner Mutter war klar, dass ich es wusste. ;-) 

Noch heute erinnere ich mich an die bildhafte Beschreibung von Ilses Handarbeit. Na gut, das Bild dazu hatte ich in der Realität in meinem Zimmer liegen. 

Ein verknautsches Strickwerk voller Fehler, die Wolle schnuddelig von ungewaschenen Händen, die den ganzen Tag im Sand gebuddelt hatten und auf Bäume geklettert waren. 
Ich war ein Wildfang, wie Ronja Räubertochter - nur ohne Birk! ;-) -, ich hatte rötliche Haare, Sommersprossen und ein Gemüt wie Pippi Langstrumpf und ich war ein Trotzkopf - genau wie Ilse Macket. 

Die Ronja Räubertochter in mir ist ein bisschen gezähmt (nur ein bisschen, auf Bäume klettere ich immer noch gern, wenn ich darf. ;-) ), die Pippi Langstrumpf werde ich immer bleiben und den Trotzkopf ...den habe ich mittlerweile abgelegt. Meistens zumindest ... ;-)

Dennoch habe ich seit ca. 30 Jahren - seit meinen ersten Versuchen als Kind - kein Strickzeug mehr angefasst. 

Nee, ich und stricken? Geht gar nicht! Und das sehe nicht nur ich so ... Ich denke, jeder, der mich kennt, würde mich für verrückt erklären. Aber ... ;-)

Aber ... da ich mittlerweile gelernt habe, dass es manchmal nicht so schlecht ist, sich auf neue Wege zu begeben, habe ich mich in der vergangenen Woche auf ein weiteres neues Abenteuer eingelassen. 

Ich war tatsächlich in einem kleinen Wollädchen in Hamburg Wandsbek und habe mir reichlich Wolle und passende Stricknadeln besorgt. 

ICH! Oh jaaa! 

Wer mich kennt wird jetzt vermutlich ungläubig den Kopf schütteln und ernsthaft - das mache ich auch. Ich kann gar nicht fassen, dass ich tatsächlich dem "Strickwahn" verfallen bin. Aber in den letzten drei Tagen habe ich nebenbei einen wunderschönen und kuschligen Loop gezaubert. :-) 

Ich bin schon ein bisschen stolz auf mich. Was mich aber am meisten daran fasziniert ... es macht mir tatsächlich Spaß zu stricken! 
Das nächste Projekt wartet bereits darauf, angefangen zu werden. Und wenn ich ein bisschen mehr Übung habe, wage ich mich vielleicht mal an eine Mütze - oder nach 30 Jahren noch einmal an einen Pullover ... ;-) 

Okay, viel Gequatsche um nichts, werden nun sicher einige denken. Aber ... Nee! Ich will euch natürlich auch noch etwas mitgeben. ;-) 

Manchmal ist es gut, andere Wege zu gehen und sich einfach auf etwas einzulassen. Denn oftmals führt es unverhofft zu etwas Wunderschönem! 
Nur zu einem neuen Schal - oder zu einem völlig neuem Leben. 

Oder in einem Satz zusammengefasst: 


Mach den Menschen glücklich, mit dem du ein ganzes Leben zusammenbleiben musst. Dich selbst! 


Ich wünsche euch ein zauberschönes Wochenende voller unerkannter Wege und großartigen Erfahrungen.

Eure Juli