Flausen im Kopf
… scheinen viele zu haben.
Zumindest viele zu interessieren, da ihr uns tatsächlich
sprachlos gemacht habt.
Unser neues Buch ist so toll gestartet und genau dafür,
möchten wir uns jetzt bereits bei euch bedanken.
Auch die vielen wundervollen Kommentare zu unserem Cover
haben uns überwältigt und wir werden sie selbstverständlich an unsere Cover-Fee
weiterleiten.
Doch jetzt wollen wir euch gar nicht weiter mit unseren
Gefühlen nerven. ;-)
Nein, jetzt geht es zu einer Leseprobe:
Wolfseye
Selbst jetzt, zwei Stunden nach
unserer unschönen Begegnung im Wald, dachte ich über die Worte nach, die mir
dieser Wolf an den Kopf geknallt hatte.
„Du dusselige Großstadtkuh hast mir
mein Foto versaut.“ Was bitte wollte er mir damit denn sagen? Ich konnte ja
wohl kaum etwas dafür, dass er seine blöde Kamera mit diesem Angeber-Objektiv
nicht rechtzeitig hochgenommen hatte. Er konnte mir auch nicht die Schuld dafür
geben, dass der Eisvogel so schnell wieder verschwunden war. Es war halt so bei
Wildtieren, man musste einfach Glück haben, wenn man sie fotografieren wollte –
und ich hatte dieses Glück gehabt.
Ich saß in meiner Wohnung am
Küchentisch und hatte meinen Laptop aufgeklappt vor mir stehen. Das Bild vom
Handy hatte ich längst übertragen. Es war – für eine einfache Handyaufnahme –
wirklich toll geworden. Ein Sonnenstrahl hatte das Gefieder des Vogels
getroffen und ließ ihn dadurch wunderschön schillern. Ich öffnete meinen
Internetbrowser und ging auf eine Foto-Bestellseite. Dort lud ich das Bild hoch
und orderte gleich zwei Abzüge in größerem Format. Das eine wollte ich mir
selbst hinstellen und das andere war für meinen Vater gedacht. Nicht nur, damit
er meinen Beweis, dass es hier durchaus Eisvögel gab, vor Augen hatte. Nein,
ich wusste, er mochte Tier- und Landschaftsfotografien. Das war wohl auch der
Grund für die Schwarz-Weiß-Fotos, die in seiner Kneipe hingen.
Auf einmal fiel mir ein, wo ich
diesen Flusslauf bereits gesehen hatte. Er war auf einem der Bilder in der
Kneipe. Innerlich schlug ich mir vor den Kopf für meine Dummheit. Dass ich das
nicht auf den ersten Blick erkannt hatte! Wieder nahm ich mir vor, meinen Vater
zu fragen, wer die Fotos gemacht hatte.
Nachdem ich die Bestellung abgesendet
hatte, öffnete ich mein E-Mail-Account. Nicht nur die Bestellbestätigung war
bereits eingetroffen, ich hatte auch eine Mail der Textagentur, die mir zwei
neue Aufträge anbot.
Ein Möbelhersteller wollte seine
Website modernisieren und brauchte dazu passende Beschreibungen der Möbel.
Okay, das war jetzt nicht die interessanteste Arbeit, aber immerhin wurden
solche Aufträge recht gut bezahlt.
Der zweite Auftrag war da schon
spannender. Ich sollte einen Text für einen Reiseführer über Hamburg verfassen.
Meine Aufgabe war es, die geschichtliche Entwicklung der Speicherstadt
zusammenzufassen. Solche Aufgaben liebte ich. Auch wenn sie immer viel
Recherche erforderten, machte es mir auch unheimlich viel Spaß.
In der vorgegebenen Zeit würde ich
beide Aufträge schaffen, daher nahm ich sie an. Während ich für den
Möbelhersteller noch auf weitere Informationen warten musste, konnte ich mit
der Beschreibung der Speicherstadt gleich morgen früh loslegen.
Nachdem ich den Laptop
heruntergefahren hatte, machte ich mich auf den Weg zu meinem Vater in die
Kneipe. Ich wollte ihm wieder ein wenig zur Hand gehen und außerdem war mir
gerade nach Gesellschaft.
Als ich im Lokal ankam, waren nur
drei Gäste anwesend.
„Das ist ja so leer hier“, sagte ich
zu meinem Vater, nachdem ich ihn begrüßt hatte.
„Ja, es ist Montag. Montags ist es
immer leer“, antwortete er und räumte ein paar Gläser ins Regal. „Wie war dein
Tag?“
Strahlend zog ich mein Handy aus der
hinteren Tasche meiner Shorts.
„Großartig! Ich habe hier was für
dich.“ Ich wollte nicht warten, bis das Foto entwickelt war, viel zu aufgeregt
war ich über das Bild des Eisvogels. Schnell entsperrte ich den Bildschirm,
suchte das Foto heraus und hielt es meinem Vater unter die Nase.
Erst runzelte er kurz die Stirn, als
könnte er nicht glauben, was er sah, doch dann strahlte er ebenso wie ich.
„Das gibt’s ja gar nicht. Du hast
tatsächlich einen Eisvogel gesehen!“ Er gab mir das Handy zurück und nahm mich
fest in die Arme. „Und das Bild ist so toll geworden! Da hattest du ja
tatsächlich einen großartigen Tag, das freut mich sehr. Tut mir leid, dass ich
dir nicht geglaubt habe!“
„Ja, mein Tag war wirklich toll! Bis
auf einen kleinen Zusammenstoß mit diesem merkwürdigen Wolf“, antwortete ich
und mein Vater schaute mich fragend an. In diesem Moment ging die Tür auf und
ein neuer Gast traf ein. Nein, genau genommen war es kein neuer Gast, es war
Wolf, der durch die Tür trat.
„Na super! Haben dem die Ohren
geklingelt?“, murmelte ich so leise, dass nicht mal mein Vater mich verstanden
haben konnte. Dann wandte ich mich ab, schnappte mir einen Lappen und fing an,
die Tische abzuwischen. Ich hatte keine Lust, ihn auch nur anzusehen,
geschweige denn, ihn zu bedienen. Dennoch kam ich nicht umher, zu hören, wie
mein Vater mit ihm sprach.
„Na, Wolf. Bierchen?“
Ich wusste nicht, ob Wolf in
irgendeiner Form auf die Frage reagierte, jedenfalls sprach er nicht. Aber gut,
das war ja nichts Neues.
„Ich hab auch noch Gulasch da.“
Wieder war keine verbale Reaktion zu vernehmen.
Da ich mittlerweile mit den Tischen
fertig war, blieb mir nichts anderes übrig, als mich wieder dem Tresen
zuzuwenden und somit genau in Wolfs Richtung zu schauen. Wieder saß er am
selben Tisch wie gestern bereits. Anscheinend war es sein Stammplatz. Doch
diesmal stierte er nicht auf die Tischplatte vor sich. Als ich mich umdrehte,
schaute er mich direkt an. Es war ein Blick, den ich nicht einordnen konnte.
Irgendwie wirkte er noch immer so wütend wie im Wald vorhin und doch strahlte
er noch etwas aus. Diese Aura, die ich neulich schon gespürt hatte. Etwas
Düsteres, Abgründiges. Ich blinzelte ein wenig erschreckt, damit hatte ich
nicht gerechnet. Schnell wandte ich meinen Blick von ihm ab und verschwand
hinter dem Tresen.
Den ganzen Abend über versuchte ich,
den Mann an dem kleinen Tisch in der Ecke zu ignorieren. Mein Vater war es, der
ihm das Gulasch brachte und den leeren Teller irgendwann wieder abräumte. Als
er endlich sein Bier ausgetrunken hatte und das Lokal verließ, atmete ich auf.
Was auch immer dieser Mann an sich hatte, er faszinierte mich auf eine mir
völlig unbekannte Art und Weise. Gleichzeitig machte er mir aber auch ein wenig
Angst mit dieser extrem abweisenden Art.
Habt Freude mit unserem E-Book.
Liebe Grüße von
Kerry Greine und Ben Bertram