Ich wünsche euch viel Spaß mit dieser Leseprobe. Dem Anfang meines neuen Romans "Schmetterlinge tanzen nicht für Millionäre".
Wenn es euch gefällt ... Am Sonntag gehts los - dann erscheint das E-Book bei Amazon. ;)
Alles Liebe
Eure
Kerry
Champagner
Verträumt lächelnd beobachte ich
einen Schmetterling, der in dem kleinen Park, in dem ich meine Mittagspause
verbringe, herumfliegt. Es ist ein Kohlweisling, das habe ich auf den ersten
Blick erkannt. Zufrieden lehne ich mich gegen die Rückenlehne der Parkbank und
lasse das Tierchen dabei nicht aus den Augen. Ich liebe es, Schmetterlinge zu
beobachten, das war schon immer so. Ich erinnere mich an unzählige Sommertage,
an denen ich im Garten meiner Eltern auf dem Rasen gelegen habe. Die
verschiedensten Schmetterlingsarten tanzten durch unseren Garten und ich konnte
mich gar nicht an ihrem Spiel sattsehen. Nicht selten kam es vor, dass sie sich
direkt neben mir im Gras niederließen oder sogar auf meiner Hand landeten. Mit
der Zeit habe ich gelernt, die verschiedenen Sorten zu unterscheiden. Während
meine Freunde es nie schafften, einen Kohlweisling und einen Zitronenfalter
auseinanderzuhalten, wunderte ich mich darüber, wie man die beiden verwechseln
konnte. In meinen Augen sahen die zwei sich nicht mal im Ansatz ähnlich. Aber
vielleicht war ich da einfach ein wenig anders als andere Kinder meines Alters.
Mein Bruder hat immer gesagt, ich sei ein Schmetterlings-Nerd, und
wahrscheinlich hatte er damit nicht ganz unrecht.
Damals war ich eine Träumerin,
romantisch verklärt. Wenn ich nicht gerade Schmetterlinge beobachtete,
verbrachte ich meine Zeit mit Lesen. Als Jugendliche habe ich Liebesromane
verschlungen. Ich schaute mit einer rosaroten Brille auf die Ehe meiner Eltern
und wünschte mir nichts sehnlicher, als irgendwann einmal eine solche Liebe zu
finden. Auch wenn die zwei schon seit dreißig Jahren verheiratet sind, spürt
man in jedem Blick, in jeder Geste, wie sehr sie sich noch immer lieben und
dass sie alles für den anderen geben würden. Das war es, was ich als Kind
wollte, diese unendliche Liebe. Mittlerweile sehe ich es anders, die Realität
hat mich erwachsen und pragmatisch werden lassen. Die große Liebe ist nicht
mehr das, wonach ich strebe, ich habe andere Ziele, die ich verwirklichen will.
Aus dem kleinen verträumten Mädchen ist eine Frau geworden, die weiß, was sie
im Leben erreichen möchte, und alles dafür gibt.
Das Einzige, was noch immer
unverändert ist, ist, Schmetterlinge zu beobachten, in diesem Moment ein wenig
zu träumen und die Realität auszublenden. Die Schmetterlinge sind es auch, die
mir wohl am meisten fehlen, seit ich vor anderthalb Jahren von unserer
Kleinstadt nach Hamburg gezogen bin. Hier gibt es nicht so viele wie auf dem
Land. Umso mehr freue ich mich, wenn ich einen entdecke. Dieser Kohlweisling
hier war der erste, den ich in diesem Frühjahr zu Gesicht bekommen habe, und
ich hoffe, über den Sommer würden noch viele weitere folgen.
Der kleine Kohlweisling verschwindet
aus meiner Sichtweite und seufzend schaue ich auf die Uhr. Meine Pause ist
gleich vorbei, ich sollte mich allmählich auf den Weg machen. Zurück in mein
Büro, wo auf meinem Schreibtisch mehr als genug Arbeit auf mich wartet. Schon
bevor ich gegangen bin, lagen dort diverse Zettel und Notizen von meinem Chef,
und wie ich ihn kenne, sind in der letzten Stunde noch einige weitere
hinzugekommen.
„Ich versteh echt nicht, wie du das
Zeug trinken kannst. Ich kriege das nicht mal runter, wenn ich krank bin!“ Die
Stimme meiner Kollegin Cookie erklingt, als ich in der kleinen Küche des Büros
gerade meinen Kamillentee aufgieße. Grinsend wende ich mich zu ihr um.
„Genauso geht es mir, wenn du dir
diese schwarze Plörre einschenkst. Wie kann man nur Kaffee trinken?“ Gespielt
angeekelt schüttele ich mich und werfe einen Blick auf den Becher in ihrer
Hand, aus dem der leicht bittere Geruch von Kaffee aufsteigt. Nie im Leben
würde ich das Zeug hinunterbekommen, das Cookie und so ziemlich der komplette
Kollegenkreis literweise jeden Tag in sich hineinkippen. Aber über Geschmack
lässt sich ja bekanntlich nicht streiten.
So unterschiedlich wie unser
Getränkegeschmack sind Cookie und ich auch in vielen anderen Dingen. Allein
optisch ist sie schon genau das Gegenteil von mir. Kurze, etwas strubblige,
rote Haare, wenn überhaupt, dann nur dezent geschminkt, und ihre Klamotten
wirken immer ein wenig spießig. Mir hingegen ist mein Äußeres sehr wichtig. Das
muss es auch sein, wenn ich meinen Plan verwirklichen möchte. Als graues
Mäuschen habe ich keine Chance, zu erreichen, was ich erreichen möchte. Das
einzig Außergewöhnliche an Cookie ist ihr Spitzname. Eigentlich heißt sie
Tanja, doch so nennt sie wirklich niemand, nicht einmal der Chef. Bereits als Kind
wurde sie so genannt. Sie hat mir mal erzählt, dass das Wort Cookie das Erste
war, was sie als Kleinkind gesprochen hat. Ihre amerikanische Großmutter hatte
immer einen Porzellantopf mit Schokocookies im Wohnzimmer stehen, und kaum dass
sie herausgefunden hatte, was da drin war, hat sie nach diesen Keksen verlangt.
Mittlerweile hat sie das Rezept dafür von ihrer Oma geerbt und backt sie
selbst. Ein Vorrat der Kekse ist immer in ihrer Schreibtischschublade zu
finden. Ich liebe diese Schokocookies ebenso wie sie. Obwohl wir sonst so
verschieden sind, bei Keksen haben wir denselben Geschmack. Doch trotz all
unserer Unterschiede ist Cookie nicht nur meine Kollegin, sondern auch meine
beste Freundin geworden. Sie ist einfach eine Seele von Mensch und hat immer
ein offenes Ohr für andere. Aber nicht nur das liebe ich an ihr, nein, auch
wenn ihr Äußeres eher spießig wirkt, habe ich selten einen so humorvollen,
lebensfrohen Menschen erlebt wie sie.
Als ich hier ankam und den ersten Tag
in meinem neuen Job in dieser Bank hatte, war sie es, die mich sofort unter
ihre Fittiche genommen hat. Oder, wie ich es augenzwinkernd gern nenne, Cookie
hat mich adoptiert.
„War irgendwas Dringendes, als ich
weg war?“, frage ich Cookie und befreie meinen Teebeutel aus seinem heißen
Wasserbad.
„Nur ein paar typische cholerische
Anfälle vom Sahrmann. Er hat die Angebote für Herrn Karlsen gesucht. Der kommt
ja gleich zum Beratungsgespräch.“
„Für Herrn Karlsen? Die hab ich ihm
doch schon heute Morgen auf den Schreibtisch gelegt. Hat er sie wieder
untergebuddelt oder wie?“ Kopfschüttelnd verlasse ich die Küche und mache mich
auf den Weg zu meinem Platz. Dort angekommen stelle ich den Teebecher ab und
drehe mich dann zu Cookie um, die mir gefolgt ist.
„Meinst du, er hat sie mittlerweile
gefunden? Oder soll ich ihm suchen helfen?“ Grinsend mustere ich meine
Freundin, die entspannt hinter ihrem Schreibtisch Platz nimmt und einen Schluck
ihres Kaffees trinkt, bevor sie mir ebenso grinsend antwortet.
„Du kennst ihn doch! Ohne dich ist er
aufgeschmissen.“
Als hätte mein Chef auf sein
Stichwort gewartet, geht in diesem Moment die Tür zu seinem Büro auf. Mit
hochrotem Kopf und leicht schnaufend kommt Herr Sahrmann heraus, die Stirn in
Falten gelegt und sichtlich verzweifelt. Erst als er mich erblickt, entspannt
sich seine Mimik.
„Ah, Frau Floris, da sind Sie ja
endlich wieder. Sie haben mir die Unterlagen für Herrn Karlsen nicht gegeben
und er müsste jeden Moment hier sein. Also, sofort auf meinen Schreibtisch
damit!“, befiehlt er.
Ich muss ein Schmunzeln unterdrücken.
So ist mein Chef. Er kann seine Sachen nicht finden, und dann war ich es, die
sie ihm nicht gegeben hat. Zum Glück kenne ich ihn mittlerweile gut genug, um
das nicht mehr persönlich zu nehmen. Am Anfang bin ich jedes Mal panisch
geworden, wenn er mich so angeherrscht hat, doch jetzt bleibe ich ruhig.
Entspannt lächele ich ihn an.
„Herr Sahrmann, die Angebote liegen
bereits seit heute Morgen auf Ihrem Tisch. Lassen Sie mich mal machen.“ Ohne
auf eine Antwort zu warten, gehe ich an ihm vorbei in sein Büro. Wie vermutet,
Herr Sahrmann hat ein paar Ausdrucke, die er in der Zwischenzeit gemacht hat,
auf die Unterlagen gelegt. Mit einem einzigen zielsicheren Griff ziehe ich sie
unter dem Stapel hervor, drehe mich zu ihm um und drücke sie ihm in die Hand.
„Hier sind sie doch“, sage ich
freundlich.
Mit zusammengezogenen Augenbrauen
starrt mein Chef auf die Papiere in seiner Hand. „Aber eben waren sie …“,
murmelt er und schüttelt leicht den Kopf, als könnte er das Ganze nicht
verstehen.
„Noch einen Kaffee, Herr Sahrmann?“,
biete ich an und er schaut auf.
„Ähm, ja, bereiten Sie doch bitte ein
Tablett vor und stellen Sie es mir schon her. Danke, Frau Floris, ich weiß
nicht, was ich ohne Sie machen würde!“
„Das weiß ich auch nicht“, murmele
ich leise, als ich das Büro verlasse und die Tür hinter mir schließe.
„Na, wo waren die Unterlagen?“, fragt
Cookie lachend und lehnt sich auf ihrem Schreibtischstuhl zurück.
„Wo wohl? Da, wo ich sie ihm heute
früh hingelegt habe. Er hat nur diversen anderen Kram draufgepackt und sie dann
in seinem Chaos nicht wiedergefunden“, erkläre ich und nehme im Stehen neben
meinem Tisch einen Schluck von meinem Kamillentee. Ich habe nicht die Zeit,
mich hinzusetzen, immerhin soll ich ein Tablett für Herrn Sahrmann und seinen
Kunden vorbereiten.
„Ohne dich wäre er echt
aufgeschmissen. Du bist nicht nur seine Sekretärin, du bist sein Gehirn! Wie
kann jemand wie er nur einen solchen Posten hier bekleiden?“ Ungläubig
schüttelt Cookie den Kopf und ich zucke mit den Schultern.
„Na ja, immerhin hat er mit Abstand
die höchsten Verkaufszahlen. Und nur das ist es doch, was für den Vorstand
zählt. Und dafür, sein Chaos zu sortieren, hat er ja mich.“
„Ja, das stimmt. Also mich dürftest
du nicht zu seiner Sekretärin machen. Ich würde durchdrehen bei dem Typen! Echt
jetzt, deine Arbeit ist hier nicht mit Gold aufzuwiegen, das merke ich jedes
Mal, wenn ich deine Urlaubsvertretung machen muss. Da würde ich am liebsten
schon nach zwei Tagen hinschmeißen.“
Lachend wende ich mich ab und gehe in
die Küche. Wenn ich es richtig im Kopf habe, ist der Termin von Herrn Karlsen
heute um 14:30 Uhr, das heißt, ich habe noch 15 Minuten.