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Donnerstag, 8. November 2018

Du

Huhu! 😊

Wie letzte Woche schon versprochen, habe ich heute eine kleine Geschichte im Gepäck. 

Meine Verlegerin meinte neulich, ich wäre "die Meisterin der gefühlvollen Literatur". So hat sie es auch in den Klappentext zu "Schmetterlinge fliegen leise" geschrieben. Wow! 😍 Ob sie recht hat, kann ich nicht beurteilen, aber ich freu mich riesig über diese Worte. Denn das ist es, was ich am Schreiben so liebe! 💗

Nun aber zu der versprochenen Kurzgeschichte. Mal schauen ... Vielleicht taucht die Szene irgendwann in der Colins Creek-Reihe wieder auf. Sie würde auf jeden Fall zu Jays Geschichte passen ... Die gibt es dann im Frühling in Colins Creek. 😉

 Aber nun wünsche ich dir erstmal viel Spaß und einen tollen Start ins Wochenende! 

Deine Juli 💕



Den Kopf in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen, lasse ich die heißen Wassertropfen über mein Gesicht laufen. Ich halte die Luft an, bis der Drang zu atmen zu groß wird. Erst dann senke ich den Kopf unter dem Wasserstrahl der Dusche heraus und sauge den Sauerstoff tief in meine Lungen. Ich spüre, wie ich langsam nachgebe. Den Schmerz in mir zulasse, den ich sonst so gekonnt hinter meinem Lächeln verberge. 

Wann hört es nur auf? Wann hört es endlich auf? 

Ich lasse mich zu Boden gleiten. Die Beine angezogen, die Arme darum gelegt, bleibe ich sitzen, lege die Stirn auf meine Knie. Ich spüre die heißen Wassertropfen, die auf meinen Nacken prasseln. Bestimmt ist meine Haut bereits knallrot vor Hitze. Doch es ist mir egal. 

Ein Kloß in meinem Hals drückt schmerzhaft, als ich versuche, zu schlucken. Ich spüre die Tränen, die sich hinter meinen geschlossenen Augenlidern sammeln und nach draußen dringen. Sie laufen über meine Wangen und vermischen sich mit dem Wasser der Dusche. Verschwinden, werden eins. Sie zählen nicht, existieren gar nicht. Wenn ich hier meinem Schmerz nachgebe, ist es, als wäre er nicht da. Dies hier ist meine Zwischenwelt. Wie eine Höhle, die mich vor der Realität versteckt. 
Sobald ich das Wasser abdrehe, verschwinden auch die Tränen und keine Spur bleibt zurück. Nichts deutet noch darauf hin. 
In den letzten Wochen ist diese Dusche ein Zufluchtsort geworden. Ein paar Minuten, in denen ich alles rauslassen kann, wenn der Druck in meinem Inneren zu groß wird. Wenn ich diese Gedanken an dich nicht mehr aushalte. Die Liebe, die ich noch immer für dich empfinde. Wenn der Schmerz zu stark wird. 

Es ist viele Wochen her, dass wir uns das letzte Mal gesprochen haben. Eine gefühlte Ewigkeit. Dennoch bist du noch immer hier bei mir. In meinem Kopf. In meinem Herzen.  
Ich träume von dir. In jeder Nacht. In jeder beschissenen Nacht! 

Wann geht es vorüber? Wann hört es auf, wehzutun? Wann lerne ich, meine Entscheidung zu akzeptieren? 
Ich war es, die gegangen ist. Ich passe nicht in deine Welt und deine Welt passt nicht zu mir. Ich weiß es, und ich weiß, dass sich daran auch nichts ändern wird. 
Manchmal ist Liebe nicht genug. Manchmal ist Liebe nicht alles. Manchmal ist es das Leben, das uns trennt. Und dann? Was geschieht dann? Wie kann es weitergehen - ohne dich?
Gibt es ein Verfallsdatum für Gefühle? 
Wann hört man auf, jemanden zu lieben? Wann geht die Liebe vorbei?

Das zwischen uns war einzigartig. Es war magisch. Wir waren wie in einer anderen Welt. In unserer Welt. Doch unsere Welt war nicht real. Wir waren nicht real. 
Wir waren zwei Blumen, die zufällig in einer Vase gelandet waren. 
Die edle Rose. Schön. Aufrecht. Strahlend. Jeder liebt sie ... 
Und die kleine Butterblume. Ein gewöhnlicher Löwenzahn. Nur Unkraut neben der schönen Rose. 
Ich wusste, es konnte nicht gut gehen. Ich wusste, du würdest irgendwann gehen. Denn so hübsch das Arrangement in der Vase auch auf den ersten Blick erscheint, es ist nichts, was tatsächlich in einem Strauß funktioniert.

Langsam erkaltet das Wasser der Dusche. Der Heißwassertank neigt sich dem Ende. Zeit, meinen Schmerz wieder zu verbannen, dahin zurück, wo er hingehört. Hinter die Mauern, die ich um mein Herz gebaut habe. Zeit, die letzten Tränen abzuwaschen und mich auf das zu konzentrieren, was vor mir liegt. Mein Leben. Ohne dich ... doch trotzdem mein Leben. Ich habe entschieden - du hast mich nicht aufgehalten. 
Es ist alles gesagt, doch nichts ist vergessen. Sobald ich die Augen schließe, bist du wieder bei mir. Ich spüre deine Lippen auf meinen, deine Arme, die mich halten. Die Nähe, Wärme. Die Liebe. 
Was wir hatten, war echt. 

Ich drehe das Wasser ab und verlasse die Dusche. Mit dem Handtuch wische ich den Spiegel ab, um mich darin betrachten zu können. Meine Augen sind ein wenig glasig, noch immer steckt der Knoten in meinem Hals, doch ich straffe die Schultern. Dann verziehe ich die Lippen zu einem Lächeln. Ein wenig zittrig erst, dann immer klarer. Ich lächle meinem Spiegelbild zu und spüre, wie du wieder hinter den Mauern verschwindest. Noch ein paar Sekunden, dann bin ich wieder bereit. Bereit für mein Leben. Da draußen. Ohne dich ... Doch trotzdem mein Leben.